Dr. Johannes Heimann
Dr. Johannes Heimann, selbst an Parkinson erkrankt, praktizierte bis zu seinem Ruhestand als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Wie häufig nehmt ihr eure Parkinson-Medikamente?
Vor kurzem las ich diese Frage in einer Facebook-Gruppe und habe deshalb zu diesem Thema eine kleine Übersicht erstellt.
Aber Vorsicht – ohne Medikamentenkunde = Pharmakologie geht es nicht. Die müssen wir aber selbst auch kennen, sonst geht es uns so wie einem Diabetiker, dem man die Anwendung von Insulin nicht erklärt hat.
Ich verwende keine Firmennamen, sondern den Namen der Wirkstoffe. Jede(r ) kann auf seine Medikamentenschachteln diese Namen finden.
- MAO-B-Hemmer: Rasagilin, Selegelin
Die Monoaminoxidase ist ein Enzym im zentralen Nervensystem, das jeder hat. Es baut das Dopamin ab. Wenn man dieses Enzym blockiert, bleibt Dopamin – sowohl das, was wir selbst noch bilden, als auch das, was wir als Levodopa schlucken – länger wirksam.
Ein Medikament aus dieser Wirkungsgruppe ist die Basis für die meisten Einnahmeschemata.
- Dopaminagonisten: Piribedil, Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin (Pflaster), Apomorphin (sc-Spritze)
Das sind Wirkstoffe, die wie Dopamin wirken, aber sich chemisch deutlich von diesem unterscheiden. Sie gibt es teilweise auch in retardierter Form, das heißt, die Wirkungsdauer ist länger. Viele von uns nehmen Tabletten dieser Art oder auch das Pflaster. In der Anfangsphase der Erkrankung können sie die notwendige Einnahme von Dopa hinauszögern, in der fortgeschrittenen Phase werden sie mit Dopa kombiniert und helfen,
- die Wirkungsspitzen und -täler des Dopa etwas auszugleichen.
- die Dopa-Dosierungen niedriger zu halten
- Dopa
Jetzt wird es schwieriger – aufgepasst!
Dopa, genauer gesagt die linksdrehende Form Levo-Dopa, ist völlig wirkungslos. Es muss im Gehirn in das eigentlich wirksame Dopamin umgewandelt werden. Dopamin – das ist das, wovon wir alle zu wenig haben. Dopamin ist ein Neurotransmitter. Dieser Begriff sagt uns was:
Ein biochemischer Übertragungsstoff in unserem Gehirn.
Wenn wir noch genug Dopamin haben oder bekommen, bessern sich viele unserer Bewegungsstörungen. Ein bisschen bessert sich auch unsere Psyche – die aber nur zum Teil, denn gegen die Depressionen brauchen wir noch zwei andere Neurotransmitter, von denen die meisten Parkis auch zu wenig haben:
Serotonin und Noradrenalin.
Doch zurück zum Dopa – das ja im Gehirn zu Dopamin werden muss. Da gibt es mehrere Hürden:
- Aufnahme des Dopa aus dem Darm in den Blutkreislauf:
Dieser Prozess wird durch eine eiweißreiche Nahrung gestört. Die Aminosäuren, die Bausteine der Eiweiße, konkurrieren mit dem Dopa um die Transportmechanismen. - Abbau des Dopa im Organismus, bevor es überhaupt ins Gehirn gelangen kann.
Dies wird verhindert durch Benserazid (im Madopar®) oder Carbidopa. Es gibt kein Dopa-Präparat, das nicht das eine oder das andere enthält, um auf diese Weise die so genannte Bioverfügbarkeit des l-Dopa zu steigern. Darüber hinaus nehmen manche von uns COMT-Hemmer, die auch den vorzeitigen Verlust des Dopa verhindern sollen. - Übertritt des Dopa aus dem Blut ins Gehirn.
Dieser Prozess wird durch eiweißreiche Nahrung gestört. Die Aminosäuren, die Bausteine der Eiweiße, konkurrieren mit dem Dopa um die Transportmechanismen.Und jetzt wird’s ein bisschen anspruchsvoller: Der Beipackzettel empfiehlt: Kein Dopa 30 min vor bis 90 min nach dem Essen! Manche Patienten empfehlen sogar 45 min vor bis 120 min nach dem Essen!Ein Tässchen Kaffee mit einem Schluck Milch sollte nur wenig ausmachen. Aber Madopar plus ein Becherchen Joghurt – das könnte die Wirkung schon heftig einschränken. Aber wie immer gilt: Jeder reagiert anders und jeder muss es gemeinsam mit seinem Neurologen für sich selbst herausfinden.
Ich selbst nehme 5 – 6 Tabletten Madopar. Anfangs ging das noch ganz gut: Ich nahm 1 ½ – 1 ½ – 1 ½ plus irgendwann noch ½ bis 1 Tablette. Das war ohne allzu genau zuvor festgelegte Essenszeiten ganz gut zu machen. Doch wie wir alle wurde auch ich im Lauf der Zeit anspruchsvoller.
Ich merkte – wie alle früher oder später – Berg und Tal, Zeiten mit hohen und Zeiten mit geringen Dopa-Spiegeln immer mehr. Die bekannten Fluktuationen, die noch später dann als On- und Off bezeichnet werden.Mit 1 – ½ – 1 – ½ – 1 – ½ – 1 – ½ musste ich die Essenszeiten gut planen.
- Die Wirkungskurve
Auf dem Bild seht ihr eine schwarz gezeichnete Kurve: das ist die Höhe de Dopamin-Spiegels im Gehirn. Zum Beispiel nimmt hier jemand vier Mal am Tag ein l-Dopa-Präparat, z.B. Madopar®.
Nach der Einnahme dauert es eine Weile, bis die Kurve ansteigt. Das ist ja ganz klar: das geschluckte l-Dopa muss ja 1. vom Darm in den Blutkreislauf aufgenommen werden 2. aus dem Blutkreislauf durch die Blut-Hirn-Schranke durchgeschleust werden 3. im Gehirn in das eigentlich wirksame Dopamin umgewandelt werden. (Ihr erinnert euch: l-Dopa ist völlig wirkungslos, es ist ein „Pro-Drug“ und muss erst in das eigentlich wirksame Dopamin umgewandelt werden.) Die Punkte 1-3 dauern eine halbe bis eine ganze Stunde.
Daraufhin steigt die schwarze Kurve an und erreicht nach ca. 1 ½ bis zwei Stunden das Maximum.
Danach fällt sie wieder ab, bis die nächste Medikamenteneinnahme sie mit Verzögerung wieder ansteigen lässt.
Wir stellen uns mal vor, dieser Patient würde nicht 4-mal täglich eine ganze Tablette schlucken, sondern 8-mal täglich eine halbe Tablette. Die Gesamtmenge pro Tag wäre gleichgeblieben. Aber die Kurve hätte nicht 4 ziemlich tiefe Täler und 4 ziemlich hohe Gipfel, sondern 8 Täler und 8 Gipfel. Und diese Täler wären nicht mehr so tief und die Gipfel nicht mehr so hoch, die Kurve wäre insgesamt flacher.
Leider wird das so genannte „therapeutische Fenster“, in dem wir zufrieden sind, auf dem Bild weiß gezeichnet, immer schmäler. Das kommt durch den bei uns allen stattfindenden fortschreitenden Verlust der entsprechenden Nervenzellen.
Ist die schwarze Kurve über dem weißen Fenster, also im hellblau gezeichneten Bereich, haben wir eine Überbeweglichkeit. Ist die schwarze Kurve unterhalb des weißen Fensters, also im dunkelblau gezeichneten Bereich, haben wir eine Unterbeweglichkeit, sind also steifer, zittriger, bewegungsärmer.
Auch hier gilt: Da jeder anders reagiert und sich in seinem ganz individuellen Bereich des therapeutischen Wirkungsfensters befindet, muss jeder gemeinsam mit dem Neurologen die richtige Dosis-Mengen- und Einnahmezeiten Kombination für sich herausfinden. Oft geschieht dies während einer sogenannten Komplextherapie, die von vielen Patienten als sehr erfogreich beschrieben wird.
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