Wie kann ich den Verlauf der Parkinson-Krankheit beeinflussen? 

Medikamente, Sport, Ernährung und/oder alternativer Medizin 

 

Ein Vortrag von  Prof. Dr. med. Ceballos-Baumann

 

Zusammenfassung des Vortrags
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Kernaussage

Parkinson ist eine langsam fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, bei der fehlgefaltetes α-Synuclein besonders dopaminerge Zellen der Substantia nigra schädigt. Therapie zielt heute vor allem auf Symptomkontrolle, flankiert von Bewegung und angepasster Ernährung; echte verlaufsmodifizierende (krankheitshemmende) Medikamente sind in Entwicklung, aber noch nicht klinischer Standard.

Verlauf & Risikofaktoren

  • Beginn meist um das 60. Lebensjahr; lange präsymptomatische Phase.
  • Erhöhtes Risiko: wiederholte Kopftraumata, Lösungsmittel/landwirtschaftliche Exposition (Pestizide), evtl. Nähe zu stark behandelten Golfplätzen; genetische Varianten können Risiko erhöhen oder senken.
  • Assoziiert mit geringerem Risiko: Rauchen (trotz anderer massiver Gesundheitsrisiken) und Kaffeekonsum.
  • Wichtig: Korrelation ≠ Kausalität.

Medikamente

  • Levodopa: wirksamste symptomatische Therapie. Studien (u. a. Early/Delayed-Start) zeigen keine Beschleunigung und keine nachweisbare Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Leitsatz: Don’t delay – start today, wenn Symptome es rechtfertigen.
  • MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin): keine belegte Neuroprotektion/Verlaufsmodifikation; nur milde Symptomwirkung.
  • Dopamin-Agonisten (v. a. Pramipexol, Ropinirol): weniger wirksam als Levodopa; relevantes Risiko für Impulskontrollstörungen (Glücksspiel, Hypersexualität, Kaufrausch, Hyperkreativität). Bei Problemen: Ausschleichen (nicht abrupt, Entzugssyndrom!).
  • Klinische Feinsteuerung individuell („maßgeschneiderter Anzug“), v. a. in der Frühphase.

Ernährung

  • Mediterrane/MIND-Diät (viel Gemüse, Obst/Beeren, Vollkorn, Hülsenfrüchte, Fisch; Olivenöl; wenig tierische Fette, eher wenig Milchprodukte) ist am besten belegt und wahrscheinlich günstig für den Verlauf.
  • Kaffee/Koffein: eher positiv; kann Magenentleerung fördern.
  • Milchprodukte: uneinheitliche Daten; keine starke Empfehlung pro/contra für den Einzelnen.
  • Nahrungsergänzungsmittel: Skepsis wegen fehlender Regulierung/Evidenz; keine generelle Empfehlung.
  • Praktisch: ballaststoffreich gegen Obstipation, ausreichend trinken – gerade bei Hitze.

Bewegung & Sport (größter Hebel)

  • Regelmäßige körperliche Aktivität senkt Parkinson-Risiko in Kohortenstudien und verbessert Motorik und Lebensqualität bei Betroffenen.
  • Bereits 3×/Woche 30–45 Min Ausdauer (z. B. Rad/Laufband bei 80–85 % HFmax) über Monate zeigt klinisch relevante Verbesserungen (UPDRS).
  • Krafttraining ebenfalls nützlich; reines Dehnen allein bringt wenig.
  • Viele Formate sinnvoll: Ausdauer, Kraft, Gleichgewicht/Gangtraining, funktionelles Training, Wassertherapie, VR/Gaming (z. B. Ping-Pong), LSVT BIG.
  • Prinzip: Jeder Schritt zählt – Inaktivität früh durchbrechen.

„Alternative“ Verfahren

  • Tai Chi: gute Evidenz (NEJM-Studie) für bessere Balance, längere Schritte, weniger Stürze → empfehlenswert als Ergänzung.
  • Atemtherapie: vielfältige positive Effekte, sinnvoll.
  • Tanztherapie (z. B. Tango) kann motorisch/psychisch helfen.
  • Vorsicht bei teuren/unregulierten Verfahren (z. B. Eigenblut, „Ausleitungen“); Nutzen nicht belegt, teils riskant.

Q&A-Highlights

  • Kombination Levodopa + Agonist kann Sinn ergeben, aber Nebenwirkungen überwachen.
  • Obst ist okay; bei Diabetes individuelle Regeln.
  • Osteoporose bei Parkinson häufiger → Aktivität & Kalzium beachten.
  • Levodopa ≠ Dopamin (Vorstufe). „Natürliches“ Levodopa (ayurvedisch/Mucuna) existiert, aber keine generelle Empfehlung.

Take-aways für den Alltag

  1. Therapie nach Bedarf beginnen – Levodopa nicht unnötig hinauszögern.
  2. Bewegung ist Medizin: 3×/Woche Ausdauer + 2× Kraft anstreben; Tai Chi/LSVT BIG sind gute Bausteine.
  3. Mediterrane/MIND-Ernährung, viel trinken, Ballaststoffe.
  4. Vorsicht mit Dopamin-Agonisten (Impulskontrollen); bei Problemen ärztlich gesteuert ausschleichen.
  5. „Alternative“ Methoden nur evidenzbasiert ergänzen (z. B. Tai Chi, Atemtherapie); Finger weg von teuren Wundermitteln.

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