Heute schon rückwärts gelaufen?

Ein Beitrag von May Evers aus der Kolumne „Besser Wissen!“, Folge 2

Wie nicht-medikamentöse Tricks helfen können besser zu laufen

Es kommt manchmal vor, dass beim Gehen einer meiner Füße ein Eigenleben entwickelt und anfängt sich zu verdrehen. Die Muskeln werden steif, die Zehen rollen sich ein und ich komme beim besten Willen nicht mehr von der Stelle. Da hilft kein gutes Zureden, kein Dehnen, kein gar nichts, außer stehen bleiben, bewusst atmen und entspannen. Wenn sich mein Fuß dann wieder beruhigt hat, kann ich weiterlaufen. Dieses Mal, um sicher zu gehen, dass es mit dem Krampf nicht sofort wieder los geht, drehe ich mich um und laufe rückwärts. Aaah, was für eine Wohltat! Der Fuß bedankt sich und ich ernte fragende Blicke von den Schulkindern und Müttern mit Kinderwagen auf dem Gehsteig. Ich lächele ihnen freundlich zu, als wäre es die normalste Sache der Welt.

Mit Gangschwierigkeiten bekommen es alle Parkinsonpatient:innen im Laufe der Zeit zu tun. Und ich behaupte mal, dass alle früher oder später herausfinden, welche Tricks ihnen am besten aus der Patsche helfen. Laut einer Umfrage stehen die meisten damit aber alleine da.

Die Umfrage stammt von einer Gruppe von niederländischen Ärzt:innen, die eine Sammlung von Tricks und Kniffen für ein besseres Gangbild von Patient;innen mit Parkinson gesammelt und kürzlich veröffentlicht haben. Viele der 4.300 Befragten kannten die vorgestellten Hilfsmethoden nicht, selbst die gut informierten unter ihnen.

Gut, dann wird es Zeit das zu ändern!

Insgesamt wurden für den Bericht tausende Videos von Menschen mit Parkinson ausgewertet. Hier sind einige Bespiele:

Fahrrad fahren ist eine gute Alternative zum Laufen. Mit schweren Schuhen läuft es sich leichter. Beim Treppensteigen mit beiden Händen an den Gürtel fassen. Treppenstufen beziehungsweise Streifen auf den Boden malen, als Anreiz zum Laufen. Die Knie beim Gehen bewusst hochziehen. Einen Tennisball im Takt der Schritte vor sich auf den Boden werfen und wieder auffangen.

Aus den Einsendungen filterten die Wissenschaftler:innen 95 Methoden heraus und ordneten sie sieben Kategorien zu.

  1. Äußere Taktgeber: Zum Beispiel helfen Metronom oder rhythmische Musik das Gangbild flüssiger zu machen.
  2. Innere Taktgeber: Impulse geben durch Zählen oder Berührung, zum Beispiel die Finger an die Schläfe pressen. Das hilft besonders beim Losgehen.
  3. Das Körpergewicht verlagern, um das Schwungbein zu entlasten.
  4. Andere Menschen beim Gehen imitieren oder sich den Bewegungsablauf vorm Losgehen bewusst machen.
  5. Sich motivieren oder in einen Zustand gesteigerter Aufmerksamkeit bringen.
  6. Eine andere Gangart wählen, zum Beispiel seitwärts oder rückwärts gehen. 
  7. Eine Kombination aus mehreren der beschriebenen Methoden.

Die ÄrztInnen wären keine Wissenschaftler:innen, wenn sie nicht tiefer graben würden. In diesem Fall wollten sie wissen, welche Methode in welcher Situation am hilfreichsten ist und ob es auch zu negativen Wirkungen kommen kann. Erfreulicherweise gaben 62 bis 76 Prozent der Teilnehmenden an, dass die verschiedenen nicht-medikamentösen Methoden nützlich sind.

Das Körpergewicht zu verlagern war am erfolgreichsten, äußere Taktgeber dagegen, waren am wenigsten erfolgreich. Die einzelnen Methoden verloren im Lauf der Zeit aber nicht an Wirkung. Und wie es bei Parkinson häufig der Fall ist, muss jede Person die Methode finden, die ihr am besten hilft, da nicht alle bei allen gleich gut funktionierten. Etwa jede:r zehnte Befragte:r musste die Methode im Lauf der Zeit jedoch ändern, weil die Erkrankung fortschritt. 

Warum diese Methoden so gut funktionieren? Das Forschungsteam vermutet, dass bei der Ausübung der Methoden im Gehirn andere Regionen aktiviert werden als die für Parkinson üblichen geschädigten.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber einige der oben genannten Methoden sind mir im Laufe meiner Erkrankung schon vereinzelt untergekommen. Bei Gesprächen in der Selbsthilfegruppe, bei Youtube und auch bei Therapeut:innen und Kliniken und natürlich durch eigene Erfahrungen. Ich freue mich, dass nun mit dieser recht großen Umfrage die Erfahrungen der Patient:innen gebündelt, analysiert und hoffentlich auch zugänglich gemacht wurden.

Bleibt in Bewegung

Bis zum nächsten Mal!

Quelle: Fachblatt «Neurology»

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