Die Hand – ein außergewöhnliches Video
über die Hand als Metapher für Parkinson

Ein Beitrag von  Jürgen Zender

   
   

Ein nachdenklich stimmendes Video über das Leben mit der in jungen Jahren  einsetzenden Parkinson-Krankheit. Ich habe das Video bereits vor gut einem Jahr zum ersten mal veröffentlicht. Mittlerweile sind tausende neuer Leser hinzugekommen, denen ich das kleine Kunstwerk nicht vorenthalten möchte.

Mancher von Euch wird seine eigene Hand als Metapher für seine Erkrankung wiedererkennen.

Die gelungene bildliche Umsetzung stammt von Brett Harvey, der mir spontan die Rechte an der Erstellung einer deutschen Fassung übertrug.

Auf vielfachen Wunsch findet ihr jetzt meinen Text unterhalb des Videos.

Was ihr hier seht, ist eine Aufnahme meiner linken Hand aus dem Jahr 2017.

Zweifelsohne habe ich einen ziemlich ausgeprägten Tremor. Diese unwillkürliche Bewegung hat mich schon seit ein paar Jahren zeitweise beeinträchtigt. Ich hatte keine Ahnung, wo das herkam, und so hat es noch ein weiteres Jahr gedauert, bis ich es herausfand. Ich war gerade mal 37 Jahre alt, als bei mir Morbus Parkinson im Frühstadium diagnostiziert wurde. Hier sind Aufnahmen von meiner Hand. Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, und sie beeinträchtigt die Nervenzellen im Gehirn, und zwar genau die, die für die Produktion des Botenstoffs Dopamin verantwortlich sind.

Die 3 Hauptsymptome, aber bei weitem nicht alle, sind Zittern, eine Verlangsamung der Bewegungen und Muskelsteifheit. Als jung gelten übrigens alle, bei denen man die Krankheit vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert hat. Es gibt keine genauen Zahlen, aber man schätzt, dass in Deutschland etwa 400.000 Menschen an Parkinson erkrankt sind. Von diesen 400.000 Menschen sind etwa 20.000 unter 50 Jahre alt. 20.000 Menschen – ich bin einer von 20.000.

 Es ist schon merkwürdig. Ich weiß gar nicht, wann mein Tremor begonnen hat. Am Anfang war er so gering, dass ich ihn jedenfalls nicht wahrgenommen habe. Ich habe das abgetan, nicht wirklich besorgt darüber.

Ich kam nicht auf die Idee, es untersuchen zu lassen. Vermutlich dachte ich, es würde sich schon irgendwie von selbst regeln. Ja, und dann saß ich eines Tages zu Hause und sah mir das Filmmaterial an, das ich am Vortag aufgenommen hatte.

Ständig war dieses seltsame Rasseln und Klappern zu hören. Es war bei allem, was ich gedreht hatte, ganz deutlich zu hören. Ich hatte zwar keine Ahnung, was das Geräusch verursachte, aber es war klar, dass ich die Aufnahmen neu drehen musste. Dann passierte etwas Seltsames. Das Geräusch hörte nicht auf, als das Filmmaterial nicht abgespielt wurde. Merkwürdig, dachte ich, das Geräusch war mit mir im Raum. Ich blickte nach unten und mir wurde klar, dass es meine Hand war, die auf der Tastatur lag. Ich zitterte.

 Ich ging zu meinem Hausarzt. Ich gehöre zu den Leuten, die immer dann, wenn sie zum Arzt gehen, das Gefühl haben, dass sie umsonst einen Aufstand machen und dass sie jedermanns Zeit vergeuden. Es war nur eine kurze Untersuchung, und er überwies mich an einen Spezialisten, einen Neurologen. Um eine sogenannte klinische Diagnose stellen zu können, musste ich eine Reihe von Tests durchführen lassen. Das begann mit einer MRT, die ich überhaupt nicht mag, einer körperlichen Untersuchung, bei der man die Finger der linken Hand nacheinander mit dem Daumen berührt, Bluttests – zum Glück habe ich kein Problem mit Nadeln – und dann einen Dat-Scan. Der Dat-Scan war im Vergleich zum MRT überraschend entspannend, allerdings musste ich mir dafür leicht verstrahltes Jod spritzen lassen, weil das Jod meine Dopaminrezeptoren im Gehirn darstellen kann.

Der Neurologe meinte, dass ein gesunder Dopaminrezeptor wie ein kleiner Klecks mit einem Schwanz aussieht. Bei einem ungesunden Rezeptor fehlt der Schwanz. Es ist mir etwas unangenehm, das zu zeigen, aber das macht nichts. Das ist mein Gehirn,

und wie man sieht, hat der Klecks auf der rechten Seite keinen Schwanz. Jetzt muss man wissen, dass die rechte Seite deines Gehirns die linke Seite deines Körpers steuert und andersrum. Nun hat der Neurologe mich gewarnt, dass der Schwanz auf meinem linken Dopaminrezeptor schwach aussieht und deshalb irgendwann auch meine rechte Seite zittern könnte. Was heißt in dem Zusammenhang „irgendwann“?

Bei der Parkinson-Krankheit ist es für Ärzte und Spezialisten schwierig, einen genauen Zeitplan für das, was passieren wird, zu geben, da – Achtung Binsenweisheit – jeder Mensch anders ist. Bei allem, was ich gelesen habe, scheint es einen Konsens darüber zu geben, dass bei jungen Erkrankten man von der Diagnose bis… etwa 10 gute Jahre hat, bis die Dinge schwieriger werden.

Ok, wenn ich ehrlich bin, muss ich nicht oft Marmelade halten, aber es kommt oft vor, dass ich eine Kamera halten muss. Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als taktisch zu überlegen, wie ich die Kamera halte.

Wenn wir aus der Hand aufnehmen, sind die Ergebnisse bei weitem nicht mehr so stabil wie früher. Normalerweise stelle ich, wenn ich fotografiere, mit der linken Hand scharf. Und wenn ich mich wirklich konzentriere, kann ich das fast reibungslos tun. Aber es ist schon schwieriger als früher, und mir ist klar, dass ich irgendwann aufhören muss, Dinge selbst zu fotografieren.

Neben den 3 Hauptsymptomen gibt es eine Vielzahl weiterer möglicher Symptome, die mit Parkinson einhergehen. Kein Mensch ist wie der andere, und sie können unterschiedlich viele Symptome haben. Derzeit kriege ich meine Symptome mit einer vernünftigen Ernährung und Sport ganz gut in den Griff. Na ja, sagen wir mal, mit einer relativ vernünftigen Ernährung und etwas Sport.

Aber ich habe trotzdem immer noch Symptome, die mit meinem Tremor einhergehen.

Ich habe definitiv regelrechte Anfälle von Erschöpfung. Ich werde dann sehr, sehr müde. Doch seltsamerweise habe ich dennoch echte Schlafprobleme. Der einzige Vorteil ist, dass ich keinen Wecker mehr brauche, aber ich würde das gerne gegen eine einzige gute Nacht eintauschen. Ich habe mal gelesen, dass man emotionaler wird und anfälliger für Tränen ist. Ich war mir sicher: Nein, das wird mir nicht passieren.

Und dann passierte es doch, genau in einem ausgesprochen ungünstigen Moment. Ich zeigte einem Studenten eine Szene aus „Jackie Chan’s Police Story“ und wollte ihm erklären, wie unglaublich mutig es ist, dass Jackie Chan als Stuntman bereit war, sein Leben zu riskieren, nur um uns zu unterhalten. Harmlos, oder? Aber ich brach auf der Stelle in Tränen aus, und das vor hundert Studenten. Natürlich, ich hatte mich geirrt; anscheinend weine ich leichter bei bestimmten Dingen. Ich meine, ich war schon immer ein bisschen ein Weichei und habe leicht Tränen vergossen, aber heutzutage können mich Filme, Bücher, Fernsehen, Theater, Musik regelrecht überwältigen.

Manchmal bin ich traurig, das stimmt, und ein anderes Mal ängstlich. Aber zum Glück gehen diese Anfälle auch vorbei. Ich habe gestern noch meinem Neurologen erzählt, dass ich an manchen Tagen einfach nur rumsitzen und mich selbst bemitleiden möchte, aber an anderen Tagen möchte ich rausgehen und weitermachen wie früher auch. Ich fragte ihn, was man denn da tun könne, und er meinte: „Vielleicht ein bisschen von beidem?“

Ich habe wirklich Glück, denn ich habe ein wunderbares Netzwerk aus Freunden und Familie, Hausarzt und Neurologe, und nicht zu vergessen meinen Hund, die mich unterstützen.

Im Grunde genommen fühle ich mich nicht anders als sonst. Aber ich habe schon gemerkt, dass sich mein Leben allmählich verändert hat. Es sind winzige, schrittweise Veränderungen, die für sich allein genommen wenig bedeuten. Aber in Summe sind sie doch recht beachtlich, wenn ich mal darüber nachdenke.

Vor kurzem hat mich jemand gefragt, ob ich glaube, dass Parkinson mein Leben ruiniert hat. Ehrlich gesagt, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich habe immer nur versucht, damit zurechtzukommen.

Aber nein, Parkinson hat mein Leben nicht ruiniert, es hat es verändert, ja. Aber ich fühle mich immer noch wie derselbe Mensch, und im Moment betrachte ich das als einen Sieg.

Jürgen Zender, München, im Oktober 202

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