
Einleitung:
Morbus Parkinson ist vor allem als Bewegungsstörung bekannt – Zittern, Steifheit und verlangsamte Bewegungen stehen im Vordergrund. Doch die Erkrankung wirkt sich nicht nur auf die Motorik aus. Im Verlauf können auch geistige Fähigkeiten beeinträchtigt werden. Dieser Ratgeber erläutert verständlich, warum Parkinson die kognitiven Funktionen beeinflusst und wie sich typische Gedächtnis- und Denkstörungen äußern. Außerdem werden Behandlungsoptionen – medikamentös und nicht-medikamentös – vorgestellt. Abschließend betrachten wir digitale Hilfsmittel (Gehirntrainings-Apps) in Bezug auf ihre Eignung für Parkinson-Patienten sowie neueste Forschungserkenntnisse.
Die kognitiven Probleme bei Parkinson haben ihren Ursprung in den neurologischen Veränderungen, die die Krankheit im Gehirn verursacht. Typisch für Parkinson ist das Absterben von Nervenzellen in der Substantia nigra (schwarze Substanz) im Mittelhirn – der Region, die den Botenstoff Dopamin produziert
Dopamin ist nicht nur für Bewegung wichtig, sondern hat auch Einfluss auf Antrieb und Denkprozesse. Durch den Dopaminmangel treten zunächst vor allem motorische Störungen auf. Im weiteren Krankheitsverlauf sind aber zunehmend auch andere Hirnareale und Neurotransmitter betroffen. Besonders Acetylcholin, ein Botenstoff, der für Gedächtnis und Lernen eine Rolle spielt, gerät aus dem Gleichgewicht: Anfangs steigt sein Spiegel kompensatorisch an, später kommt es durch fortschreitendes Nervenzellsterben zu Acetylcholin-Mangel, was kognitive Störungen begünstigen kann
Neben biochemischen Veränderungen trägt die Parkinson-typische Proteinablagerung im Gehirn zur Demenzentwicklung bei. Ein fehlgefaltetes Protein namens Alpha-Synuclein lagert sich in Nervenzellen ab und bildet sogenannte Lewy-Körperchen
Diese Ablagerungen finden sich im Verlauf nicht mehr nur im Mittelhirn, sondern auch in höheren Hirnregionen. So können im fortgeschrittenen Stadium auch Bereiche des Frontal- und Temporallappens (Stirn- und Schläfenlappen) betroffen sein – Gehirnareale, die für Planung, Aufmerksamkeit, Sprache und Gedächtnis zuständig sind. Die Ansammlung von Lewy-Körperchen und das fortgesetzte Absterben von Neuronen in diesen Regionen führen dazu, dass die geistige Leistungsfähigkeit nachlässt.
Abbildung: Darstellung einer Nervenzelle (Neuron) mit Lewy-Körperchen (rot) bei Parkinson
Die Ablagerungen stören die Funktion der Zelle und breiten sich im Krankheitsverlauf in verschiedenen Hirnregionen aus.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Alter. Parkinson-Patienten höheren Alters haben ein deutlich höheres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz
. Etwa 30–40 % der Menschen mit Morbus Parkinson entwickeln im Verlauf eine Parkinson-Demenz, meistens in späten Krankheitsstadien. Zusätzlich können Begleitfaktoren wie Depression, Stress oder auch bestimmte Medikamente kognitive Symptome verstärken.
Insgesamt entsteht das kognitive Defizit bei Parkinson also durch ein Zusammenspiel aus Dopaminmangel, weiteren neurochemischen Veränderungen (v.a. Acetylcholin), der Ausbreitung von Lewy-Körperchen in denkrelevanten Hirnarealen und begünstigenden Risikofaktoren.
Die kognitiven Veränderungen bei Parkinson entwickeln sich meist schleichend. Oft bleiben sie anfangs unbemerkt oder werden auf “normale” Vergesslichkeit im Alter geschoben.
In frühen Phasen – man spricht dann von Mild Cognitive Impairment (MCI) – beeinträchtigen sie den Alltag kaum
. Mit Fortschreiten der Erkrankung können jedoch verschiedene geistige Fähigkeiten nachlassen:
– Antworten kommen verzögert, was nicht mit Desinteresse zu verwechseln ist, sondern krankheitsbedingt ist.
Allerdings ist das Gedächtnis bei Parkinson meist weniger stark beeinträchtigt als bei Alzheimer. Häufig können sich Patienten mit Hilfestellungen (Stichwörtern, Erinnerungen) an Vergessenes erinnern – das zeigt, dass die Information oft noch gespeichert ist, aber der Abruf hakt. Die Lernfähigkeit für neue Dinge bleibt in der Regel länger erhalten. Erst in einer manifesten Demenz sind auch Ort- und Zeitorientierung oder das Langzeitgedächtnis deutlich gestört
. Das Verstehen komplexerer Sätze oder schnelles Erfassen von Texten strengt an. Die Sprache kann zudem leiser und monotoner werden (was teils motorisch bedingt ist). Diese Veränderungen sind für Patienten frustrierend, da kommunizieren anstrengender wird und Gespräche mehr Konzentration erfordern.
Begleitend können bei fortgeschrittenen kognitiven Störungen auch Veränderungen der Persönlichkeit oder des Verhaltens auftreten – etwa Apathie (Teilnahmslosigkeit), Rückzug von sozialen Aktivitäten oder seltener auch Halluzinationen und Wahnideen.
Solche Symptome treten vor allem in einem Demenzstadium auf und sollten ärztlich beurteilt werden. Wichtig zu betonen: Die Ausprägung kognitiver Symptome bei Parkinson ist sehr individuell. Manche bleiben lange nahezu unbeeinträchtigt im Denken, bei anderen nehmen Gedächtnisprobleme früher deutlich zu. In jedem Fall ist es sinnvoll, schon milde Anzeichen ernst zu nehmen und gegenzusteuern – durch optimale Therapie und geistige Aktivität.
Eine kausale medikamentöse Heilung der kognitiven Einschränkungen gibt es bisher nicht – dennoch können bestimmte Medikamente helfen, die geistige Leistungsfähigkeit zu stabilisieren oder zumindest Begleitsymptome zu lindern. Wichtig ist dabei eine individuell angepasste Medikamentenstrategie, da Parkinson- und Demenz-Medikamente sorgfältig aufeinander abgestimmt werden müssen
. Im Folgenden ein Überblick:
. Diese Medikamente zielen in erster Linie auf die Motorik ab. Studien zeigen, dass L-Dopa die Motorik deutlich verbessert, ohne die Kognition zu verschlechtern
. Teilweise wurden sogar Verbesserungen von Aufmerksamkeit und planender Denkfähigkeit unter Levodopa beobachtet
. Allerdings können dopaminerge Medikamente bei empfindlichen Patienten auch Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, Verwirrtheit oder Halluzinationen auslösen.
Besonders ältere Parkinson-Patienten vertragen Dopaminagonisten (z.B. Pramipexol, Ropinirol) und Anticholinergika (wie Biperiden gegen Tremor) oft schlechter und reagieren mit Verwirrtheit.
Daher wird bei kognitiven Problemen oft bevorzugt mit Levodopa behandelt und auf solche nebenwirkungsreichen Substanzen verzichtet. Insgesamt gilt: Eine optimale Einstellung der Parkinson-Medikation kann indirekt auch die Kognition unterstützen – z.B. weil verbesserte Motorik und weniger Tremor die Aufmerksamkeit nicht mehr so binden. Andererseits sollte Übermedikation vermieden werden, um psychische Nebenwirkungen zu minimieren. Hier ist der enge Austausch mit dem Neurologen wichtig.
. Rivastigmin ist in Deutschland speziell für Parkinson-Demenz zugelassen und gilt als Standard
. Studien zeigen einen leichten bis moderaten Nutzen dieser Medikamente: Aufmerksamkeit und Alltagskompetenz können etwas verbessert oder stabilisiert werden.
Die Wirkung ist individuell unterschiedlich – einige Patienten berichten von besserer geistiger Klarheit, bei anderen ist der Effekt kaum spürbar. Wichtig: Diese Medikamente verzögern den kognitiven Abbau meist nur, heilen ihn aber nicht. Zudem können Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall oder – bei Parkinson relevant – ein verstärktes Zittern auftreten
. Trotzdem wird ein Therapieversuch oft empfohlen, wenn die Gedächtnisprobleme den Alltag merklich einschränken.
. Eine gebesserte Stimmungslage wirkt sich meist positiv auf Antrieb und Denkfähigkeit aus. Bei Halluzinationen oder Unruhezuständen stehen bestimmte atypische Neuroleptika (Antipsychotika) zur Verfügung
. Hier ist Vorsicht geboten: Viele gängige Antipsychotika (v.a. Haloperidol) verschlechtern die Parkinson-Symptomatik erheblich und sind kontraindiziert.
Geeignet sind z.B. Clozapin oder Quetiapin in niedriger Dosierung, da sie die Motorik kaum beeinflussen – diese werden aber nur eingesetzt, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen (wie Dosisreduktion der Parkinson-Medikamente) nicht ausreichen. Insgesamt sollte bei Parkinson-Patienten mit kognitiven Problemen regelmäßig die gesamte Medikation überprüft werden. Manchmal lässt sich durch Dosisanpassungen oder das Absetzen unwirksamer Mittel (etwa von langjährigen Beruhigungs- oder Schlafmitteln mit Anticholinergika-Effekt) eine Besserung der geistigen Funktionen erreichen. Die medikamentöse Therapie bleibt also ein Balanceakt: Sie kann einerseits kognitive Symptome lindern (z.B. durch Rivastigmin) und darf andererseits nicht die Motorik aufs Spiel setzen – umgekehrt darf eine optimale Motoriktherapie nicht zu Lasten der geistigen Klarheit gehen
. Diese Abstimmung erfordert Erfahrung und regelmäßige Kontrollen durch den Arzt.
Neben Medikamenten gibt es zahlreiche nicht-medikamentöse Strategien, um den geistigen Abbau bei Parkinson zu verlangsamen oder zu mildern. Gerade weil die medikamentöse Beeinflussung begrenzt ist, kommt ganzheitlichen Maßnahmen große Bedeutung zu. Das Ziel ist, die Lebensqualität und Selbstständigkeit des Patienten so lange wie möglich zu erhalten
. Wichtige Bausteine sind:
. Das Spektrum ist groß: vom einfachen Kreuzworträtsel über Sudoku, Memory und Quizfragen bis hin zu speziellen Gehirnjogging-Übungen (siehe Apps unten). Wichtig ist, dass kein Druck entsteht – das Training soll Freude bereiten und Erfolgserlebnisse vermitteln
. Studien haben gezeigt, dass solche Übungen tatsächlich etwas bewirken können: In einer deutschen Studie verbesserte ein 6-wöchiges Gedächtnis- und Planungs-Training in der Gruppe die kognitive Leistung von Parkinson-Patienten mit leichten Defiziten deutlich.
Auch nach 6 Monaten zeigte sich bei den Trainierten ein besseres Gedächtnis als in der Kontrollgruppe. Daher gilt die Devise: „Use it or lose it“ – wer sein Gehirn aktiv hält, schafft bessere Voraussetzungen, um geistig fit zu bleiben. Dabei darf das Training ruhig abwechslungsreich sein: neue Hobbys erlernen, Lesen, Musizieren, Schach spielen oder ein Ehrenamt – alles, was geistige Anregung bietet, ist positiv.
. Physiotherapie oder spezialisierte Parkinson-Sportgruppen helfen, ein individuell passendes Übungsprogramm umzusetzen. Auch Alltagsbewegung zählt: Spaziergänge, Tanzen, Gartenarbeit – wichtig ist Regelmäßigkeit. Kombinationsansätze wie „Dual-Task“-Training (gleichzeitig körperliche und geistige Aufgaben lösen) werden erforscht und könnten besonders effektiv sein. Darüber hinaus sollten Ergotherapie (für Alltagsfertigkeiten) und ggf. Logopädie (Sprach- und Sprechtraining) in Anspruch genommen werden, um bestimmten Defiziten entgegenzuwirken.
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