Kostenübernahme Physiotherapie
Dokument zur Vorlage bei Krankenkasse

Ein Beitrag von Andreas Becker

   
   

Immer wieder kommen Beschwerden, da die Kassen die Kosten für die PT bei Parkinson nicht übernehmen wollen. Ich habe über die Monate ein Dokument erstellt, mit dem einige der Patient:innen Erfolg hatten.

Das Dokument kann heruntergeladen werden und steht zur freien Verfügung.

Bei Ergänzungen einfach gerne melden.



Indikation zur Durchführung von Physiotherapie bei
Patient:innen mit Parkinson-Syndromen

Zur Vorlage bei der Krankenkasse

Frau Erika Musterfrau, geboren am 01.01.1965 befindet sich seit 2020 in meiner Behandlung.
Musterfrau leidet seit 10 Jahren an einem idiopathischen Parkinson-Syndrom im Hoehn & Yahr
Stadium 3.
Die Parkinson-Krankheit ist nach der Alzheimer Demenz die zweithäufigste fortschreitende
neurodegenerative Erkrankung, die ältere Erwachsene betrifft. Die Prävalenz wird in den nächsten
Jahren deutlich steigen. Als Folge eines pathophysiologischen Verlusts oder Degeneration von
dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra des Mittelhirns und der Entwicklung neuronaler
Lewy-Körperchen ist die idiopathische Parkinson-Krankheit mit Risikofaktoren wie Alterung,
Familienanamnese, Pestizidbelastung und Umweltchemikalien verbunden. Die letztendliche Ursache
der Neurodegeneration ist allerdings bis heute unbekannt.
Charakterisiert durch motorische und nicht-motorische Symptome, zeigen Parkinson-Patienten
klassischerweise Ruhetremor, Steifheit, Bradykinesie und Gleichgewichtsstörungen. Die
Parkinson-Erkrankung kann auch von neurobehavioralen Störungen wie Depression oder Angst,
kognitiver Beeinträchtigung und autonomer Dysfunktion begleitet sein. In den letzten Jahrzehnten
haben sich medizinisch-pharmakologische Therapien und innovative chirurgische Eingriffe wie die
Tiefenhirnstimulation (THS) stark verbreitet. Eine endgültige krankheitsmodifizierende Therapie steht
jedoch aus. Die Kenntnis von Strategien zur Förderung einer optimalen Lebensqualität von Patienten
mit Parkinson-Syndrom ist für Pflegekräfte, Gesundheitsdienstleister und Patienten selbst von größter
Bedeutung.
Zur Verbesserung der Lebensqualität sind neben medizinischer, sozialmedizinischer, pflegerischer,
pharmakologischer und chirurgischer Intervention die therapeutischen Behandlungen maßgeblich.
Hierfür gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt und in der aktuellen Literatur ausreichend Evidenz.
Im Evidence-Based-Medicine-Committee der Movement Disorder Society (MDS) wurde eine Analyse
von 143 Studien zur Intervention motorischer Symptome durchgeführt. Hier wurde deutlich
hingewiesen, dass eine neben der Medikation die Fortsetzung der Physiotherapie als klinisch nützlich
bewertet wird. Auch wurde explizit erwähnt, dass es keine Schlussfolgerungen in den untersuchten
Studien gibt, die eine Prävention oder eine Verzögerung der motorischen Komplikationen erkennen
ließ. (Fox, et al., 2018)
In den European Physiotherapy Guideline for Parkinson’s Disease: Implications for Neurologists ist zu
lesen, dass Physiotherapie einen positiven Einfluss auf funktionelle Aktivitäten wie Gang,
Transfer und Gleichgewicht hat. Dieses Papier bietet eine sehr praktische Anleitung für Kliniker, die
mit Parkinson-Patienten arbeiten und physiotherapeutische Behandlungen für ihre Patienten
verschreiben. (Domingos, et al., 2018)
In einer Metaanalyse aus dem Jahre 2020 wurde die Wirksamkeit konventioneller und neuerer
physiotherapeutischer Interventionen für Parkinson-Patienten bewertet. Diese Metaanalyse bietet
einen umfassenden Überblick über die Evidenz für die Wirksamkeit verschiedener
physiotherapeutischer Interventionen bei der Behandlung von Parkinson, sodass Kliniker und
Patienten eine evidenzbasierte Entscheidung für spezifische Behandlungsmodalitäten treffen
können.
In dieser Metaanalyse wurden 191 Studien mit 7998 Teilnehmer:innen analysiert. Hier wurden
konventionelle Physiotherapie, Widerstandstraining, Laufbandtraining, Strategietraining, Tanz,
Kampfsport, Aerobic-Übungen, Hydrotherapie, Gleichgewichts- und Gangtraining, Dual Tasking,
Exergaming und Nordic Walking untersucht. Zur systematischen Bewertung der methodischen
Qualität wurde der GRADE-Ansatz (Grading of Recommendations, Assessment, Development and
Evaluation) verwendet.
Die konventionelle Physiotherapie verbesserte signifikant die motorischen Symptome, das Gangbild
und die Lebensqualität. Krafttraining verbesserte den Gang. Laufbandtraining verbessert Gang.
Strategietraining verbesserte Balance und Gang. Tanzen, Nordic Walking, Gleichgewichts- und
Gangtraining sowie Kampfsport verbesserten die motorischen Symptome, das Gleichgewicht und das
Gangbild. Exergaming verbesserte das Gleichgewicht und die Lebensqualität. Hydrotherapie
verbessert das Gleichgewicht. Schließlich verbesserte das Dual-Task-Training keines der
untersuchten Ergebnisse signifikant. (Radder, et al., 2020)
Alle diese Behandlungsinterventionen haben bekanntermaßen nur passagere positive Wirkung. Auf
der Grundlage dieser Erkenntnisse sind Patienten mit Parkinson zu ermutigen, ihr Training
fortzusetzen, um ihre körperlichen Fähigkeiten zu verbessern bzw. beizubehalten. (Mak & Wong-Yu,
2019)
Auswirkungen von Bewegungstraining auf das Gleichgewicht und die Gehfähigkeit und Stürze im
Vergleich zu keiner Intervention und Placebo-Intervention wurden in dieser Metaanalyse verglichen.
Die Ergebnisse zeigten positive Wirkungen von Trainingsinterventionen auf die Verbesserung des
Gleichgewichts und der Gangleistung und Verringerung der Sturzrate bei Menschen mit
Parkinson-Erkrankung. (Shen, Wong, & Mak, 2016)
In einem systematischen Review zur Bewertung der physiotherapeutischen Evidenz bei der
Intervention von Patienten mit Freezing of Gait (FOG) wurden 20 randomisierte Studien analysiert.
Visuelle und auditive Hinweise und das Laufbandtraining sind wirksame Interventionen für FOG und
Gangstörungen bei Parkinson-Patienten (Evidenzgrad A – gemäß der European Federation of
Neurological Societies). (Rutz & Benninger, 2020)
Auch zur Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Stürze gibt es systematische Untersuchungen bei
ambulanten Patienten im Hoehn&Yahr Stadium I-IV bei komplementären Therapien. So sind Tanzen,
Wasserübungen und robotergestütztes Gangtraining für einige Patient:innen mit Parkinson eine
wirksame Ergänzung zur medizinischen Behandlung. (Alves Da Rocha, McClelland, & Morris, 2015)
Kognitive und Gangstörungen sind zwei schwächende Symptome, die bei der Parkinson-Krankheit
(PD) auftreten. Wichtig ist, dass bei Parkinson eine Beziehung zwischen kognitiven und Gangdefiziten
besteht, was darauf hindeutet, dass die Abhängigkeit von Kognition erhöht wird, um Gangdefizite zu
kompensieren, und/oder eine Verschlechterung der Kognition und des Gangs gemeinsame
Mechanismen haben könnten. Rehabilitationsstrategien, die auf einen Faktor abzielen, könnten zur
Verbesserung des anderen führen und bieten eine einzigartige Gelegenheit, beide gleichzeitig zu
behandeln. Goldstandard-Arzneimittel lindern diese Defizite teilweise mit erheblichen
Nebenwirkungen, was die Bedeutung der Untersuchung von Zusatztherapien wie Bewegung
unterstreicht.
Intervention Qualität der
Evidenz
Stärke der
Empfehlung
Empfehlungen
Aerobische Übungen Hoch ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeuten sollten moderate bis hochintensive
aerobe Übungen durchführen, um die VO2 zu verbessern,
die Schwere der motorischen Erkrankung zu verringern und
die funktionellen Ergebnisse bei Personen mit
Parkinson-Krankheit zu verbessern
Widerstandstraining Hoch ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeuten sollten Widerstandstraining durchführen,
um die Schwere der motorischen Erkrankung zu reduzieren
und Kraft, Kraft, nichtmotorische Symptome, funktionelle
Ergebnisse und Lebensqualität bei Personen mit
Parkinson-Krankheit zu verbessern.
Gleichgewichtstraining ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeuten sollten Interventionsprogramme für das
Gleichgewichtstraining implementieren, um
Beeinträchtigungen der posturalen Kontrolle zu reduzieren
und die Gleichgewichts- und Gangergebnisse, die Mobilität,
das Gleichgewichtsvertrauen und die Lebensqualität bei
Personen mit Parkinson-Krankheit zu verbessern
Dehungsübungen Niedrig ⧫⧫◊◊ Physiotherapeuten können Dehnungsübungen durchführen,
um die ROM (Range of Motion) bei Personen mit
Parkinson-Krankheit zu verbessern
Externes Cueing Hoch ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeuten sollten externes Cueing implementieren,
um die Schwere der motorischen Erkrankung und das
Einfrieren des Gangs zu reduzieren und die Gangergebnisse
bei Personen mit Parkinson-Krankheit zu verbessern
Gruppentraining Hoch ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeuten sollten gemeinschaftsbasierte Übungen
empfehlen, um die Schwere der motorischen Erkrankung zu
verringern und nichtmotorische Symptome, funktionelle
Ergebnisse und Lebensqualität bei Personen mit
Parkinson-Krankheit zu verbessern
Gangtraining Hoch ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeuten sollten Gangtraining durchführen, um die
Schwere der motorischen Erkrankung zu verringern und
Schrittlänge, Ganggeschwindigkeit, Mobilität und
Gleichgewicht bei Personen mit Parkinson-Krankheit zu
verbessern
Aufgabenspezifisches
Training
Hoch ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeuten sollten aufgabenspezifisches Training
implementieren, um aufgabenspezifische
Beeinträchtigungsgrade und funktionelle Ergebnisse für
Personen mit Parkinson-Krankheit zu verbessern
Verhaltensverändernde
Maßnahmen
Hoch ⧫⧫⧫◊ Physiotherapeuten sollten Ansätze zur Verhaltensänderung
implementieren, um die körperliche Aktivität und
Lebensqualität bei Personen mit Parkinson-Krankheit zu
verbessern
Integrierte Versorgung Hoch ⧫⧫⧫⧫ Physiotherapeutische Dienstleistungen sollten im Rahmen
eines integrierten Versorgungsansatzes erbracht werden, um
die Schwere der motorischen Erkrankung zu verringern und
die Lebensqualität von Personen mit Parkinson-Krankheit zu
verbessern
Telerehabilitation Moderat ⧫⧫◊◊ Physiotherapeutische Dienstleistungen können über
Telerehabilitation erbracht werden, um das Gleichgewicht bei
Personen mit Parkinson-Krankheit zu verbessern
Tabelle 1Darstellung der Evidenz aus Physical Therapist Management of Parkinson Disease: A Clinical Practice
Guideline From the American Physical Therapy Association
Zusammenfassung
Frau Mustermann leidet seit 10Jahren an einem idiopathischen Parkinson-Syndrom. Es besteht nicht
nur aktuell, sondern auch in Zukunft eine dringende ärztliche Indikation zur Durchführung von
Physiotherapie, bei Schluckstörungen auch Logopädie, um die Teilhabe in Mobilität,
Selbstversorgung, gesellschaftliches Leben, Kommunikation und die Aktivitäten des täglichen Lebens
und damit die Lebensqualität zu sichern. Sekundäre Krankheitskosten wie steigender Bedarf an
Medikamenten mit ihren Nebenwirkungen, der Gefahr der Polypharmazie und Vermeidung von
Stürzen und deren Folgen können auf diese Weise gesenkt werden.
Musterstadt, den 01.01.2023
Dr. med. Max Mustermann
Chefarzt der Abteilung für Neurologie
Waldklinikum

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