Anmerkung der Redaktion:
Der Artikel gibt die Meinung unseres Autors wieder, beschreibt seinen Umgang mit dem Medikament und begründet dies nach bestem Wissen und Gewissen. Er ersetzt in keinem Fall die Beratung durch Ihren Arzt und sollte unter keinen Umständen zu einer Selbstmedikation führen.
Wikipedia beschreibt Rasagilin wie folgt:
Rasagilin ist ein starker, irreversibler und selektiver Hemmer der Monoaminoxidase B (MAO-B). Der Wirkstoff führt zu einem Anstieg der extrazellulären Dopamin-Spiegel im Striatum. Die resultierende erhöhte dopaminerge Aktivität vermittelt wahrscheinlich die günstigen Wirkungen von Rasagilin bei Morbus Parkinson.
Rasagilin – Weswegen jede(r) es nehmen sollte.
Vor kurzem gab es hier in einer Facebook-Gruppe eine Diskussion. „Also ich habe Rasagilin 2 Wochen lang
genommen und es hat nichts gebracht, da habe ich es wieder weggelassen.“ „Mir ging es genauso.“
„Ich hatte folgende Nebenwirkungen darauf:“ usw.
Das alles hat mich wenig überzeugt. Denn ich nehme Rasagilin seit Anfang und werde es auf jeden
Fall bis zum allerletzten Schluss beibehalten. Und ich meine, jede(r) sollte es bei seinem
Medikamentenmix dabeihaben. Eine Medikamentenkombination ohne Rasagilin erscheint mir
unlogisch.
Bevor man ein Medikament einfach ablehnt, sollte man wissen, was man davon erwarten kann und
was nicht. Und, wenn man seine Erkrankung und seine Medikamentenbehandlung verstehen will,
sollte man auch wissen, wie Rasagilin wirkt.
PS: Wenn ich von Rasagilin (Handelsnamen u.a.: Azilect®, Rasagea®) spreche, meine ich auch andere
Medikamente wie Selegilin oder Safinamid (Xadago®). Eines der drei ist völlig ausreichend. Also,
eines dieser drei Medikamente sollte in jeder Kombinationstherapie enthalten sein.
Wie wirkt Rasagilin (oder Selegelin oder Safinamid)?
Dazu sollten wir noch einmal wiederholen, wie die Parkinson-Symptomatik entsteht.
Der Parkinson-spezifische Prozess der Nervenschädigung ist schon eine Weile im Gange. Doch nun
hat er die Substantia nigra erreicht: eine kleine unscheinbare Struktur im unteren Stammhirn, deren
Bedeutung man erst zu schätzen lernt, wenn sie nicht mehr voll und ganz da ist. In den Nervenzellen
der Substantia nigra wird nämlich Dopamin gebildet. Dieses Dopamin wird über den langen (2 cm)
Ausläufer dieser Zelle, die Nervenfaser, in das Striatum geleitet. Dort wird es in den synaptischen
Spalt ausgeschüttet und erregt damit die folgende Nervenzelle im Striatum. In diesem synaptischen
Spalt lauert jedoch ein Enzym, die MAO-B = die Monoaminoxidase vom Typ B, das die Lebensdauer
und damit die Wirkungsdauer von Dopamin verkürzt.
Unsere ersten Parkinson-Symptome bekommen wir erst, wenn schon mehr als die Hälfte alle
Substantia-nigra-Zellen abgestorben ist und man folglich in den wenigen verbliebenen Synapsen auf
jedes bisschen Dopamin dringend angewiesen ist. Und da kann diese Monoaminoxidase B nur stören.
Wenn wir sie nur hemmen könnten…
Und genau das können wir. Rasagilin, Selegilin und Safinamid blockieren dieses Enzym. Damit tragen
sie dazu bei, dass wir vom verbleibenden Dopamin mehr Wirkung haben.
Rasagilin wirkt indirekt
Wer gut aufgepasst hat, merkt: Rasagilin alleine wirkt ja gar nicht. Es wirkt nur über den Umweg des
Dopamin. Und zwar über das Rest-Dopamin, über das wir ganz am Anfang unserer Erkrankung
verfügen. Und später über das Dopamin, das wir als Medikament schlucken.
Ohne Dopamin wirkt also Rasagilin überhaupt nicht. Es ist von allen Medikamenten, die wir nehmen,
wahrscheinlich das schwächste.
Warum sollten wir mit Rasagilin anfangen?
Ganz am Anfang unserer Erkrankung haben wir noch recht ordentlich Dopamin und nur einen ganz
geringen Mangel. Da könnte es sein, dass Rasagilin für kurze Zeit als einziges Medikament ausreicht.
Wir fangen also mit Rasagilin solo an.
2 Möglichkeiten:
• Wir sind wirklich noch ganz am Anfang. Rasagilin wirkt. Die geringe Erhöhung unserer
Dopaminwirkung reicht aus, und uns geht es besser.
Das ist möglich, aber doch recht unwahrscheinlich:
• Rasagilin ist alleine nicht ausreichend. Dann sollten wir Rasagilin weiternehmen (und nicht
absetzen!!!) und dazu einen Dopaminagonisten oder Dopamin kombinieren. Spätestens jetzt
geht es uns besser. Welchen Anteil Rasagilin an unserer Besserung hat, werden wir nie
erfahren.
Rasagilin in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien
In fortgeschrittenen Stadien benötigen wir – und das manchmal nicht wenig – Levo-Dopa, damit es
im Gehirn in Dopamin umgewandelt wird. Und auf einmal bekommt das Rasagilin einen neuen Sinn:
Es hilft dem aus den Medikamenten stammenden Dopamin zu besserer und ausgeglichener Wirkung.
Jeder, der fortgeschritten an Parkinson erkrankt ist (und keine Tiefe Hirnstimulation hat), merkt, wie
abhängig wir vom Levo-Dopa sind. Haben wir zu wenig, können wir uns kaum bewegen, die Muskeln
werden steif und das Zittern wird schlechter. Haben wir zu viel, fangen wir an, uns verstärkt und
manchmal auch verkrampft zu bewegen, können nicht mehr ruhig sitzen usw. Und je länger wir die
Erkrankung haben, umso nervender ist dieses Hin und Her zwischen Überdosierung und Mangel.
Immer kürzer werden die Phasen dazwischen, wo die Medikamentenwirkung stimmt.
Wenn die Erkrankung noch weiter fortschreitet und das Gehirn, das aus den Medikamenten
stammende Dopamin nicht mehr zwischenspeichern kann, merken wir das große Problem, das
Levodopa hat: Die Wirkungsdauer ist mit 2 -3 Stunden zu kurz. O gäbe es doch irgendetwas, was die
Wirkungsdauer verlängert!
Und da haben wir gleich zwei Kandidaten:
1. Die MAO-B-Hemmer, sprich Rasagilin, Selegilin oder Safinamid.
2. Die so genannten COMT-Hemmer (Tolcapon = Tasmar®, Entacapon = Comtess®, fixe
Kombination von Levo-Dopa + Carbidopa + Entacapon = Stalevo®, Opicapon = Ongentys®).
Auch die COMT (Catechol-Methyl-Transferase) knabbert uns Dopamin weg.
Mit einem dieser Medikamente können wir dieses Enzym blockieren und die Wirkungsdauer von Levo-Dopa
verlängern, können also vor allem „end-of-dose“-Probleme vermeiden.
Und es gibt gar keinen Grund, MAO-B-Hemmer und COMT-Hemmer nicht zu kombinieren.
So sieht also ein logisch und vernünftig gepackte
Medikamentenkombination im fortgeschrittenen Stadium aus
• Rasagilin (oder Selegilin oder Safinamid)
o Ein Dopaminagonist
▪ Levo-Dopa
• Ein COMT-Hemmer, am besten Opicapon = Ongentys
Noch ein weiterer Grund spricht dafür, Rasagilin dauerhaft beizubehalten.
Es ist uns allen klar, dass die Medikamente nur die Symptome beeinflussen, aber nicht den Prozess
des Nervenzellsterbens und damit den Fortschritt der Erkrankung beeinflussen kann. Mit einer
Ausnahme:
Gerade bei Rasagilin gab es einmal die Hoffnung, dass dieses Medikament auch Nervenzellen
schützen kann. Das glauben zwar nicht sehr viele, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Da werde ich doch nicht ohne Not Rasagilin absetzen wollen???
Und zum Abschluss
Ich Arzt bin, aber kein Neurologe. Nehmt also diese Datei nur als Gedankenanregung. Oder nehmt sie zu Eurem Neurologen mit und
fragt ihn, warum Ihr kein Rasagilin bekommt.
Es grüßt Euch aus dem Off (glücklicherweise nicht aus dem Dopamin-off)
Euer Johannes