Zusammengestellt von Andreas Tews, Vorstand der Deutschen PSP Gesellschaft
was ist PSP
PSP ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie beschreibt eine Funktionsstörung des Gehirns, deren Ursache eine Verklumpung des Tau Proteins ist. Man nimmt an, dass etwa sechs bis sieben von 100.000 Menschen im Laufe ihres Lebens an PSP erkranken. Die PSP tritt überwiegend ab dem 40. Lebensjahr auf.
Entdeckt wurde PSP 1963 von Dr. John C. Steele, Dr. J.C. Richardson und Dr. J. Olszewski. PSP ist eng verwandt mit der Parkinson’schen Krankheit, was die Diagnostik erschwert. In vielen Fällen kommt es zu einer Odyssee der Erkrankten durch Arztpraxen und Kliniken, bis die richtige Diagnose gestellt wird – oft erst nach Jahren.
Bislang gibt es keine Heilung der Erkrankung, nur wenige Medikamente können die Symptome lindern.
Die Erforschung von PSP macht derzeit große Fortschritte. Eine internationale Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Höglinger hat neue Diagnosekriterien zur Früherkennung entwickelt. Neue Therapien sind in der Erprobung. Dr. Gesine Respondek vom Neurozentrum der TU München und Mitglied der Deutschen Studiengruppe Atypische Parkinsonsyndrome hat fünf verschiedene Verlaufsformen (PSP-Phänotypen) identifiziert.
Die Symptome, unter denen die Patienten mit PSP zu Beginn der Erkrankung leiden, können sehr unterschiedlich sein. Es gibt eine typische Verlaufsform, die 1963 erstmals beschrieben wurde und nach ihrem Erstbeschreiber inzwischen Richardson-Symptom genannt wird. Diese Verlaufsform der PSP hat sehr typische Symptome. Sie wird in der Regel nicht mit anderen Erkrankungen verwechselt. Manche Patienten entwickeln aber erst spät oder gar nicht die Symptome, die für die PSP-Diagnose wichtig sind. Bei diesen Verlaufsformen wird die Erkrankung bei vielen Betroffenen erst spät als PSP erkannt. Die unterschiedlichen Verlaufsformen der PSP werden auch als PSP-Phänotypen bezeichnet und sind im Folgenden beschrieben.
Bei der typischen Verlaufsform entwickelt sich eine charakteristische supranukleäre Blickparese, die sich durch Einschränkungen der willkürlichen Blickwendung nach oben oder unten zeigt. Der Gang ist oft schon früh im Krankheitsverlauf unsicher und unstet mit einer Tendenz nach hinten zu fallen (posturale Instabilität). Es kommt zu einer zunehmenden Versteifung der Muskulatur (Rigor), wobei Nacken und Körperrumpf mehr betroffen sind als Arme und Beine. Oft können die Patienten nur noch kerzengerade sitzen, stehen und gehen, Alle Bewegungen sind verlangsamt (Bradykinese). Manche Betroffen können nur noch undeutlich sprechen (Dysarthrie). Ebenso bestehen oft Schwierigkeiten beim Schlucken (Dysphagie). Zudem kann es zu einer Verminderung der Aufmerksamkeit, zu Defiziten bei der Planung von Handlungen und zu Veränderungen der Persönlichkeit, z.B. zu vermehrter Aggression, enthemmten Verhalten und reduziertem Antrieb kommen.
Es gibt andere Verlaufsformen der PSP. Sie werden nach ihrem klinischen Bild benannt, welches zu Beginn der Erkrankung im Vordergrund steht. Oftmals ähneln die Symptome denen von anderen Erkrankungen, so dass der Arzt Schwierigkeiten hat, die richtige Diagnose zu stellen. Im weiteren Verlauf können aber auch Symptome auftreten die für das Richardson-Symptom typisch sind.
Bei dieser Verlaufsform stehen Zeichen des Parkinsonismus im Vordergrund, d.h. eine Bewegungsverlangsamung (Bradykinese) und eine Versteifung (Rigor). Manchmal kann auch ein Zittern auftreten (Tremor). Die Patienten können zunächst unter einer Therapie von L-Dopa eine Linderung der Symptome erfahren. So fällt es schwer, die Symptomatik im frühen Stadium von der Parkinson-Krankheit zu unterscheiden. Nach mehr als 2 Jahren können die Patienten auch die Symptome der klassischen PSP entwickeln. (Richardson-Syndrom) =: die posturale Instabilität und die supranukleäre Blickparese.
Diese Verlaufsform beginnt mit Gangstörungen (verlangsamter oder unsicherer Gang) begleitet von „Einfrieren“ des Ganges und der Sprache. Auch hier entwickeln die Patienten erst später die Symptome der klassischen PSP. Tremor, Rigor, Bradykinese und Gedächtnisstörungen treten in den ersten 5 Jahren noch nicht auf.
Bei dieser Verlaufsform treten die Symptome betont oder ausschließlich auf einer Körperseite auf. Es kann zu einer Störung der Koordination bei Handlungsabläufen (Apraxie), unwillkürlichen Muskelzuckungen (Myoklonus), einer Gefühlsstörung der Haut (kortikaler Sensibilitätsverlust) einer Fehlhaltung der Gliedmaßen (Dystonie) und Parkinsonähnlichen Symptomen wie z.B. Rigor und Bradykinese kommen. Gleichzeitig oder im weiteren Verlauf entwickeln sich die Symptome der klassischen PSP.
Koordinationsstörung des Sprechens (Sprechapraxie), Fehlen von grammatischen Strukturen (Agrammatismus) und verzerrte Sprechlaute (Lautenstellungen) stehen bei dieser Verlaufsform im Vordergrund. Bradykinese, posturale Instabilität und eine supranukleäre Blickparese entwickeln sich erst später.
Die Symptome können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein!
Einige Auffälligkeiten werden jedoch besonders häufig beobachtet.
Das Hauptsymptom ist eine fortschreitende Einschränkung der willkürlichen Augenbewegungen – dazu können kommen:
Symptome, die oft zur Diagnose PSP führen, sind insbesondere die Stürze, vor allem nach hinten, und eine zunehmende Unfähigkeit, die Augen nach unten zu bewegen.
Dr. med. Gesine Respondek und Prof. Dr. med. Günter Höglinger,
Klinik für Neurologie, Klinikum rechts der Isar, TU München
und Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen München
Was ist MSA
MSA ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, bei der es zu einem kontinuierlichen Nervenzellverlust in bestimmten Bereichen des Gehirns kommt. Die Ursache für das Zugrundegehen der Nervenzellen ist trotz intensiver Forschung noch unklar. In Deutschland erkranken ca. zwei bis fünf je 100.000 Einwohner an MSA. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 60 Jahren. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
Krankheitszeichen der MSA umfassen eine Bewegungsstörung in Kombination mit einer Funktionsstörung des vegetativen Nervensystems, die z. B. durch eine Störung der Blasenfunktion, der Erektionsfähigkeit, der Darmbeweglichkeit oder der Regulation des Blutdrucks und der Körpertemperatur äußert.
Bei der MSA unterscheidet man zwei Varianten: die MSA-P mit vorwiegend Parkinsonähnlichen Beschwerden, die sich in der Bewegungsverlangsamung und Steifheit der Muskulatur zeigen – und der MSA-C, einer Funktionsstörung des Kleinhirns mit zunehmenden Gleichgewichtsstörungen, unkoordinierten Bewegungen (Ataxie), die die Körperhaltung, das Gehen, das Stehen und die Bewegung der Extremitäten beeinträchtigen, einhergehend mit Sprech- und Schluckbeschwerden. Darüber hinaus kann es zu weiteren Beschwerden kommen, wie z.B. zu einem Atemgeräusch beim Einatmen und auch zu nächtlichen Atemaussetzern.
Weitere Symptome einer MSA können sich in einer unwillkürlichen Anspannung der Gesichts- oder Rumpfbeuge-Muskulatur sowie Fehlhaltungen von Rumpf, Händen oder Füßen zeigen. Viele MSA Patienten haben zudem eine sogenannte REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Die Betroffenen berichten über sehr lebhafte und teils aggressive Träume. Die Angehörigen beobachten, dass diese Träume aufgrund einer fehlenden Erschlaffung der Muskulatur im Schlaf in Form von komplexen und zielgerichteten Bewegungen ausgelebt werden. Diese Symptome können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Typischerweise haben die Patienten einige der obenstehenden Symptome, auch in Kombination; selten kommen bei einem Patienten alle Symptome vor.
Leider ist bisher keine Therapie verfügbar, die den Verlauf der Erkrankung verlangsamen oder stoppen kann. Lediglich die Symptome können durch verschiedene Medikamente und Therapien teilweise gelindert werden. So zeigen ca. 80% der Patienten eine MSA-P eine initiale Besserung der verlangsamten Bewegungen und der Gangunsicherheit durch Einsatz einer Therapie mit Levodopa. Der Effekt ist in der Regel nur vorübergehend. Bislang gibt es keine Therapieoptionen zur Behandlung der Kleinhirnfunktionsstörung.
Besonders wichtig ist die regelmäßige Durchführung physio- und ergotherapeutischer Maßnahmen. Hierdurch soll eine möglichst hohe Selbstständigkeit bewahrt, Sturzprohylaxe erreicht und eine zunehmende Immobilität hinausgezögert werden.
PD. Dr. med. Johannes Levin, Neurologische Klinik,
Ambulanz für Bewegungsstörungen,
Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum der Universität- Großhadern
Was ist CBD
CBD ist- ebenso wie bei PSP und MSA – eine seltene neurodegenerative Erkrankung, bei der es zu einem kontinuierlichen Nervenzellverlust in bestimmten Bereichen des Zentralnervensystems kommt. Ca. eine von 100.000 Personen erkrankt an einer CBD. Das mittlere Erkrankungsalter liegt in der 6. Und 7. Lebensdekade. Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig betroffen. Es gibt derzeit keine Heilungsmöglichkeiten.
Alle Patienten haben Symptome, die durch Nervenzelltod der tief im Hirn gelegenen Nervenzellpopulation (Basalganglien) verursacht werden, und zusätzlich Symptome, die durch Nervenzelltod in der Hirnrinde (Kortex) verursacht werden. Daher der Name „Kortiko (Kortex= Hirnrinde) Basale (Basalganglien) Degeneration (= Nervenzellverlust)“. Diese Symptome sind in der Regel stark asymmetrisch, d.h., auf einer Körperhälfte deutlich stärker ausgeprägt als auf der Gegenseite. Durch Nervenzelltod in den Basalganglien werden Parkinson-ähnliche Symptome wie Muskelsteifigkeit und Bewegungsverlangsamung hervorgerufen. Durch Nervenzelltod in der Hirnrinde werden Störungen der Ausführung willkürlicher Handlungen und der Benutzung von Werkzeugen trotz eigentlich ausreichender motorischer Funktion verursacht, man spricht dann von „Apraxie“. Außerdem können Störungen der Sensibilität, die sich beim Ertasten von Gegenständen mit geschlossenen Augen bemerkbar machen, auftreten (kortikale Sensibilitätsstörung). Ein weiteres Symptom, das Erleben eines Armes oder Beines als nicht zu eigenen Körper gehörend, hat die charakteristische Bezeichnung „Alien-limb-Phänomen“. Zudem können Verhaltensstörungen in Form von Enthemmung, Apathie oder erhöhte Reizbarkeit und auch Sprach- und Sprechstörungen auftreten. Hinzu kommen charakteristische Beschwerden, wie eine unwillkürliche Anspannung der Arm-Muskulatur auf der betroffenen Seite mit daraus resultierender falscher Beugung des Ellenbogen- und des Handgelenkes. Weiter zeigen die Patienten Myoklonien, als unwillkürliche, ruckartige Zuckungen einzelner Muskelgruppen. Auch zittern eines Armes oder Beines, das durch eine Überlagerung mit den genannten Myoklonien häufig irregulär und ruckartig wirkt, kann vorkommen. Im Krankheitsverlauf werden viele Patienten zunehmend immobil und pflegebedürftig.
Aktuell gibt es keine Therapieoption, um ein Fortschreiten der CBD zu verlangsamen. Gegebenenfalls kann eine medikamentöse Therapie die Symptome einer CBD jedoch lindern. Die Tatsache, dass sich bei ca. 30 Prozent der Patienten eine, wenn auch häufig nur vorübergehende, Besserung der verlangsamten Bewegungen und Gangunsicherheit mit Levodopa zeigt, rechtfertigt einen therapieversuch. Viele Patienten mit eine CBD leiden zusätzlich an einer depressiven Störung. Diese sollte möglichst früh erkannt und adäquat behandelt werden.
Mittlerweile wird die CBD-Erkrankung auch als Cortikobasales-Syndrom (CBS) bezeichnet.
PD. Dr. med. Johannes Levin, Neurologische Klinik,
Ambulanz für Bewegungsstörungen,
Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum der Universität- Großhadern
Differenzialdiagnose und Therapie der atypischen Parkinson-Syndrome
Differenzialdiagnose und Therapie der atypischen Parkinson-Syndrome
The differential diagnosis and treatment of atypical Parkinsonism
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 61-9; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0061
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