Neurologie und Parkinson
Ein Beitrag von Jürgen Zender

   

Heute Morgen hatten wir In unserer Selbsthilfegruppe eine interessante Diskussion darüber, was Neurologie im allgemeinen und der Neurologe im Speziellen für uns Parkinson Patienten bedeutet. Im Glossar des Parkinson Journals steht dazu:

Neurologe: Nervenarzt; Facharzt für Erkrankungen des Nervensystems

Zugegeben, diese Aussage ist wenig erhellend und gibt mir Anlass etwas tiefer in die Materie zu vorzudringen.
 Wenden wir uns also zuerst der Frage zu „Was ist Neurologie“.

Befragt man dazu Wikipedia, erhält man folgende Antwort:

„Die Neurologie (von altgriechisch νεῦρον neuron, deutsch ‚Nerv‘, und -logie ‚Lehre‘) ist die Wissenschaft und Lehre vom Nervensystem, seinen Erkrankungen und deren medizinischer Behandlung. Sie stellt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein eigenständiges Teilgebiet der Medizin dar. Die Grenzen zur Psychiatrie und zur Neurochirurgie sind dabei teilweise fließend.

Die in der Neurologie wichtigsten Organsysteme sind das Zentralnervensystem (also Gehirn und Rückenmark), seine Umgebungsstrukturen und Blutgefäße. Dazu kommt das periphere Nervensystem und die Muskulatur, einschließlich der Verbindungsstrukturen zwischen beiden. In Deutschland ist die Neurologie um 1845 mit Moritz Heinrich Romberg als ein Teilgebiet aus der Inneren Medizin hervorgegangen. In den USA, in Großbritannien, Russland und anderen Staaten dagegen hatte sich die Neurologie gleich als eigenständiges Fach entwickelt.[1]

Etwas einfacher ausgedrückt:

Die Neurologie ist ein Fachgebiet der Medizin und befasst sich mit der Erforschung und Behandlung von Erkrankungen des zentralen und des peripheren Nervensystems sowie mit Muskelkrankheiten. Typische Krankheiten sind Migräne Parkinson Multiple Sklerose Schlaganfalloder Demenzformen.

 Neurologen versorgen allein in Kliniken etwa eine Million Patienten pro Jahr. Dabei werden nicht nur Volkskrankheiten wie Migräne und Polyneuropathie behandelt, sondern auch schwere Erkrankungen wie Tumore oder Multiple Sklerose. Im Folgenden findet ihr eine Liste der häufigsten neurologischen Erkrankungen in Deutschland:

  • Ischämischer Schlaganfall
  • Gehirnblutung
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • Morbus Parkinson
  • Hirnhautentzündung (Meningitis)
  • Migräne und andere Kopfschmerzen
  • Epilepsie
  • Polyneuropathie
  • Gehirntumore
  • Morbus Alzheimer

Welche Untersuchungen führt ein Neurologe durch?

Mithilfe einer neurologischen Untersuchung überprüft der Arzt die Funktion und den Leistungszustand des Gehirns und des Nervensystems. Zu einer umfassenden Untersuchung gehören folgende Aspekte:

  • ein ärztliches Gespräch über die Krankengeschichte, familiäre Krankheitsgeschichte, aktuelle Lebenssituation, Medikamenteneinnahme und derzeitige Beschwerden
  • einen Befund über die Bewusstseinslage (Vigilanz)
  • das Tasten der Pulse und eine Blutdruckmessung
  • die Untersuchung der zwölf Hirnnerven
  • die Untersuchung von Kraft, Sensibilität, Reflexen und Koordination des Körpers
  • die Überprüfung des Standes, des Gangs und des Gleichgewichts

Nachdem der Arzt eine Frage zum Namen, aktuellen Datum oder Geburtsort gestellt hat, um die Vigilanz des Patienten zu testen, wird als nächstes die Sensibilität des gesamten Körpers getestet. Darunter fallen Berührungs-, Schmerz-, Temperatur-, Vibrationsempfinden und Lageveränderungen. Danach werden die Motorik und die Muskelkraft untersucht. Die Überprüfung der Koordination wird anhand des Finger-Nase-Versuchs durchgeführt. Dabei werden die Augen geschlossen und der Zeigefinger des ausgestreckten Armes zur Nasenspitze geführt. Stand, Gang und Gleichgewicht werden durch den Romberg-Stehversuch und den Unterberger-Tretversuch überprüft werden. Hierfür schliesst der Patient wieder die Augen und soll auf einer Stelle treten (mit ausgestreckten Armen). Bei einem gesunden Gleichgewicht sollte keine Drehung oder Kippung des Körpers erfolgen. Die neurologische Untersuchung beinhaltet auch die Prüfung der Reflexe. Mit Hilfe eines Reflexhammers testet der Arzt die sogenannten Muskeleigenreflexe.

Die Hirnnerven werden einzeln wie folgt untersucht:

  • Nervus olfactorius – Riechen: Riechtests
  • Nervus opticus – Sehen: Gegenstände oder Buchstaben  müssen aus einer bestimmten Entfernung erkannt werden. Die Pupillenreaktion wird überprüft, indem der Arzt mit einer Lampe in die Augen leuchtet.
  • Nervus oculomotorius – Augenbewegung: Hier sollte der Patient dem Finger des Arztes mit den Augen folgen.
  • Nervus trochlearis – Augenbewegung: Hier sollte der Patient dem Finger des Arztes mit den Augen folgen.
  • Nervus trigeminus – Kauen und Sensibilität: Der Arzt streicht dem Patienten über das Gesicht und fragt ob er die Berührung spürt. Außerdem drückt er im Gesicht auf die Austrittspunkte der Nervenäste und überprüft diese auf Schmerzanfälligkeit.
  • Nervus abducens – Augenbewegung: Hier sollte der Patient dem Finger des Arztes mit den Augen folgen.
  • Nervus facialis – Mimik und Geschmack: Hier werden verschiedene mimische Bewegungen vorgegeben, die der Patient nachmachen muss. Außerdem wird das Geschmacksempfinden des Patienten erfragt.
  • Nervus vestibulocochlearis – Hören und Gleichgewicht: Der Arzt reibt die Finger in der Nähe der Ohren, um das Gehör zu überprüfen.
  • Nervus glossopharyngeus – Schlucken: Das Schluckvermögen wird getestet.
  • Nervus vagus – Steuerung von inneren Organen: Atmung, Herzschlag und Verdauung werden durch Abhören und Abklopfen überprüft
  • Nervus accessorius – Teil der Kopfmuskulatur: Der Arzt drückt die Schultern nach unten, während der Patient diese hochzieht.
  • Nervus hypoglossus – Zunge: Der Patient streckt die Zunge heraus und bewegt sie in alle Richtungen

Wenn man die zwei grundlegenden Fakten, dass der Morbus Parkinson nicht heilbar und dass die Krankheit progredient also fortschreitend ist, als gegeben hin nimmt, liegt es auf der Hand ,dass die Handlungsspielräume des Neurologen doch sehr beschränkt sind.

  • Er kann durch geeignete klinische Tests die Geschwindigkeit des Fortschreitens feststellen beziehungsweise dokumentieren (siehe weiter oben) 
  • er kann in einem Try and Error Verfahren, den richtigen Medikamentenmix für seinen Patienten ermitteln. Wieviele Runden man dafür fahren muss oder mit anderen Worten wieviel Errors man in Kauf nehmen muss, hängt entscheidend von der Erfahrung des behandelnden Neurologen ab.

    Es gilt ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Verminderung der Parkinson Symptomatik bei gleichzeitigem Vermeiden oder Vermindern von Nebenwirkungen der Medikamentation. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass bestimmte Medikamente über die Jahre ihre Wirkungskraft verlieren oder, was noch schlimmer wiegt, nach jahrelangem Gebrauch die Neuronen selbst schädigen.        

     Nebenbei bemerkt: In den einschlägigen Foren sind fast täglich Beschwerden über Neurologen zu lesen, die einzig und allein auf dem Missverständnis beruhen, dass das Try an Error Verfahren eine sinnvolle und notwendige Methodik und nicht etwa der Unwissenheit des behandelnden Neurologen zuzuschreiben ist.

  • Da die zeitlichen Abstände zwischen den Besuchen beim Neurologen in aller Regel zwischen 3 und 6 Monaten liegen, greift dieses Verfahren irgendwann nicht mehr und es steht eine sogenannte Komplexbehandlung ins Haus. Diese Komplexbehandlung in einer neurologischen Fachklinik dauert in aller Regel 3 Wochen und es liegt auf der Hand dass man in diesen 3 Wochen wesentlich besser den optimalen Medikamentenmix ermitteln kann, als das in der neurologischen ambulanten Praxis möglich ist.
    Komplextherapie deshalb,  weil es sich um einen Mix aus Medikamentation, Physiotherapie, Psychotherapie, Patientenaufklärung und Ergotherapie handelt.

Da es sich bei der Komplextherapie um einen klassischen Klinikaufenthalt in einer sogenannten Akutklinik handelt, kann der behandelnde Neurologe einfach eine Einweisung in eine spezielle Klinik verordnen, ohne dass es die bei einer Reha üblichen Zeitabstände, Verwaltungs und Begutachtungshürden gibt.

 Wer mehr über eine Komplextherapie erfahren will, dem lege ich das Tagebuch meiner eigenen Komplexbehandlung nahe.

 Als begleitende Maßnahme wird der Neurologe zusätzlich Physiotherapieeinheiten verordnen.

 Leider wird die Erkenntnis, dass Bewegung als nicht medikamentöse Therapie, ein wichtiger Baustein zur Minderung der Symptomatik bildet, nicht von jedem Arzt genügend gewürdigt  Vor allem,  dass es dafür besonders geeignete Sportarten gibt, wie zum Beispiel Tischtennis, Boxen, Nordic Walken und einige mehr. Es gibt sogar erste Hinweise, dass diese Sportarten, intensiv genug betrieben, nicht nur zu einer Minderung der Symptomatik führen, sondern sogar Aussicht auf eine Verlangsamung der Progression besteht.

Sowohl als Ultima Ratio, als auch schon im “early state” bietet sich eine THS (tiefe Hirnstimulation) an, aber damit befinden wir uns bereits in der Neurochirurgie. Zur THS sind im Parkinson Journal zahlreiche Artikel erschienen (siehe unten)

Wo und wie finde ich eine geeignete Fachklinik? Das Klinik Verzeichnis bietet hierzu reichlich Anhaltspunkte und Entscheidungskriterien.

Jürgen Zender, im Oktober 2022

Quellen :

  • Promedico.de
  • Mumenthaler, Mattle: Neurologie. 12. Auflage. Thieme 2008, ISBN 978-3-133-80012-9.
  • Masuhr, Neumann: Duale Reihe Neurologie. 6. Auflage. Thieme 2007, ISBN 978-3-131-35946-9.
  • Peters: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie. 6.. Auflage. Urban & Fischer 2007, ISBN 3-437-15061-8.
  • Karnath et al.: Kognitive Neurologie. Thieme 2005, ISBN 978-3-131-36521-7.
  • Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik): Diagnosen, Prozeduren, Fallpauschalen und Case Mix der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern. Fachserie 12 Reihe 6.4 (Artikelnummer: 2120640137004)

Bleib auf dem Laufenden.


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