
Prasinezumap – kommt jetzt der Durchbruch?
Ein Beitrag von Jürgen Zender
Aus der Reihe Parkinson Brennpunkt
Prasinezumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der speziell an aggregiertes α-Synuclein bindetneurologylive.com. α-Synuclein ist ein Protein, das sich bei Parkinson in Nervenzellen ablagert (Lewy-Körperchen) und zur fortschreitenden Neurodegeneration beiträgtprothena.com. Die Bindung von Prasinezumab an die verklumpten Formen von α-Synuclein – insbesondere an bestimmte Bereiche am C-terminalen Ende des Proteins – soll weitere Aggregation und die „prionenartige“ Ausbreitung des pathologischen Proteins von Zelle zu Zelle verhindernroche.comprothena.com. Dadurch erhofft man sich, die Toxizität der Ablagerungen zu verringern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamenneurologylive.comroche.com. Erste Hinweise auf die biologische Aktivität stammen aus Frühphasen-Studien: In einer Phase-I-Studie senkte Prasinezumab beispielsweise die α-Synuclein-Konzentration im Blut, was auf eine Bindung und Eliminierung des Proteins hindeutetparkinsonsnewstoday.com.
Prasinezumab wird vor allem in frühen Parkinson-Stadien erprobt, um eine mögliche krankheitsmodifizierende Wirkung nachzuweisen. Die wichtigsten bisher veröffentlichten Studien sind die Phase-II-Studie PASADENA und die Phase-IIb-Studie PADOVA.
Die doppelblinde Phase-II-Studie PASADENA untersuchte 316 Patienten mit frühem Parkinson (Hoehn&Yahr Stadium 1–2, ohne vorherige Dopaminagonisten-Therapie) über 52 Wochenparkinsonsnewstoday.com. Die Teilnehmer erhielten alle vier Wochen entweder Placebo oder Prasinezumab (in zwei Dosierungen) als intravenöse Infusionparkinsonsnewstoday.com. Hauptziel (primärer Endpunkt) war die Veränderung der gesamten MDS-UPDRS-Punktzahl (Summe der Teile I–III der Parkinson-Symptomskala) nach einem Jahrparkinsonsnewstoday.com.
Ergebnis: Prasinezumab verfehlte das Studienziel – es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zum Placebo in der Zunahme des MDS-UPDRS-Gesamtscores nach 52 Wochenparkinsonsnewstoday.com. Im Placeboarm verschlechterte sich der Score im Durchschnitt um +9,4 Punkte, unter Prasinezumab um +7,4 bzw. +8,8 Punkte (je nach Dosis), was statistisch nicht signifikant warparkinsonsnewstoday.com. Auch in den motorischen Unterkategorien (MDS-UPDRS Teil III) und nicht-motorischen Symptomen (Teil I/II) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Prasinezumab und Placeboparkinsonsnewstoday.com. Zudem zeigte sich in bildgebenden Verlaufsdaten (DAT-SPECT, Dopamintransporter-Imaging) kein Unterschied in der neurodegenerativen Progressionparkinsonsnewstoday.com.
Nach dem ersten Jahr wechselte die Placebo-Gruppe im Rahmen einer offenen Verlängerung auf Prasinezumab-Therapie, während die Verum-Gruppe fortgeführt wurdeparkinsonsnewstoday.com. Auch nach 2 Jahren zeigte ein vergleichender Delayed-Start-Ansatz kein Nutzen: Patienten, die erst verspätet Prasinezumab erhielten, holten gegenüber früh behandelten Patienten nicht aufparkinsonsnewstoday.com. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine verlängerte Behandlung keinen Unterschied im Symptomverlauf erkennen ließparkinsonsnewstoday.com. Die vollständigen PASADENA-Ergebnisse wurden 2022 von Pagano et al. im New England Journal of Medicine veröffentlichtparkinsonsnewstoday.com.
Auf Basis von Hinweisen in Unteranalysen wurde Prasinezumab in der größeren Phase-IIb-Studie PADOVA weiter untersucht. Diese Placebo-kontrollierte Studie umfasste 586 Patienten mit frühem Parkinson, die zusätzlich bereits eine stabile symptomatische Therapie (z. B. L-Dopa oder MAO-B-Hemmer) erhieltenroche.com. Die Behandlung (Prasinezumab 1500 mg i.v. alle 4 Wochen vs. Placebo) erfolgte über mindestens 18 Monate, gefolgt von einer laufenden offenen Verlängerungroche.com. Als primärer Endpunkt wurde hier die Zeit bis zum bestätigten motorischen Fortschreiten definiert, d. h. bis zu einer Verschlechterung um ≥5 Punkte im MDS-UPDRS Teil III (Motorik) in Off-Medikationroche.com – ein Anstieg, der als klinisch relevant gilt.
Ergebnis: Die im Dezember 2024 bekanntgegebenen Top-Line-Daten zeigten, dass auch PADOVA den primären Endpunkt nicht signifikant erreichteroche.com. Unter Prasinezumab trat motorisches Fortschreiten zwar später auf als unter Placebo, jedoch war der Unterschied statistisch nicht signifikant (Hazard-Ratio 0,84, p=0,0657)roche.com. Eine vorab definierte Untergruppenanalyse deutete aber an, dass Patienten, die bereits L-Dopa einnahmen, stärker profitierten (Hazard-Ratio 0,79; 95 % KI 0,63–0,99)roche.com. Zudem wurden konsistente positive Trends in mehreren sekundären Endpunkten beobachtetroche.com. Beispielsweise zeigte Prasinezumab tendenziell eine Verzögerung der motorischen Verschlechterung (MDS-UPDRS III), ein späteres Eintreten von klinisch bedeutsamen Verschlechterungen (Clinical Global Impression of Change) sowie Vorteile in digital erfassten motorischen Parameternneurologylive.comneurologylive.com. Diese Ergebnisse sind ermutigend, obgleich ein eindeutiger Wirksamkeitsnachweis noch aussteht. Die vollständigen PADOVA-Daten sollen 2025 auf einem medizinischen Kongress präsentiert werdenneurologylive.comneurologylive.com.
Langzeitdaten: Ein explorativer Vergleich über 4 Jahre (offene Verlängerung der PASADENA-Studie) mit unbehandelten Patienten aus einer externen Beobachtungsstudie lieferte weitere Hinweise auf einen möglichen Nutzen. Nach 4 Jahren zeigte die Prasinezumab-Gruppe eine verlangsamte Zunahme der motorischen Symptome: Der MDS-UPDRS Teil III stieg in der Behandlungsgruppe (OFF-Medikation) um 50–65 % weniger als in der entsprechenden Natural-History-Kohorte (PPMI)roche.com. Ähnliche Trends gab es für Alltagsfähigkeiten (UPDRS II) und bestimmte nicht-motorische Symptome (z. B. bessere Schlafqualität)neurologylive.comneurologylive.com. Diese Daten wurden 2024 von Pagano et al. in Nature Medicine publiziert und stützen die Hypothese, dass eine langfristige α-Synuclein-Hemmung das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen könnteroche.comneurologylive.com. Allerdings handelt es sich nicht um eine randomisierte Kontrolle, sondern um einen Vergleich mit externen Verlaufsdaten – die Aussagekraft ist daher begrenzt.
Prasinezumab zeigte in den Studien eine gute Verträglichkeit. Es traten keine schwerwiegenden unerwarteten Nebenwirkungen auf, die nicht auch unter Placebo beobachtet wurden. Die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse lag in PASADENA z. B. bei rund 7 % und damit vergleichbar zur Placebogruppepubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Am häufigsten wurden Infusionsreaktionen (Überempfindlichkeitsreaktionen während oder kurz nach der Infusion) berichtetparkinsonsnewstoday.com. In der Phase-II-Studie traten solche Infusionsreaktionen dosisabhängig bei etwa 19 % (niedrigere Dosis) bis 34 % (höhere Dosis) der Patienten aufpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Diese Reaktionen waren in der Regel gut beherrschbar. Andere Nebenwirkungen wie z. B. Kopfschmerzen, Hautausschlag oder Infektionen wurden nicht ungewöhnlich häufiger als unter Placebo gesehen (laut publizierten Daten keine signifikanten Unterschiede)parkinsonsnewstoday.com. Auch in der längeren Nachbeobachtung zeigten sich keine neuen Sicherheitssignale; insgesamt über 900 Parkinson-Patienten wurden in den Studien mit Prasinezumab behandelt, davon über 500 bis zu fünf Jahre lang, ohne dass späte toxische Effekte offensichtlich wurdenroche.com.
Prasinezumab ist einer der ersten Antikörper, die gezielt gegen die Parkinson-typische Proteinaggregation gerichtet sind. Trotz der bislang enttäuschenden Ergebnisse an den primären Endpunkten (kein belegter Unterschied zur Placebobehandlung)parkinsonsnewstoday.comroche.com liefern die Studien wichtige Erkenntnisse: Sie zeigen, dass das Ansprechen auf eine Anti-α-Synuclein-Therapie möglicherweise sehr geringfügig und von Subgruppen abhängig ist. Immerhin deuten bestimmte Analysen eine verlangsamte Symptomprogression unter langer Therapie anroche.comneurologylive.com. Dies lässt hoffen, dass α-Synuclein-Immuntherapien prinzipiell wirken könnten – eventuell bei früherer Intervention (z. B. im prodromalen Stadium vor Eintreten schwerer Symptome) oder bei bestimmten genetischen Unterformen der Parkinson-Erkrankungparkinsonsnewstoday.com.
Aktuell ist Prasinezumab nur im Rahmen von Studien verfügbar und noch nicht zugelassen. Die Entwickler Roche/Prothena prüfen, wie die Entwicklung weitergeht; trotz verfehlter Endpunkte in Phase IIb sieht Roche aufgrund der positiven Trends weiterhin Potenzial und diskutiert die nächsten Schritte mit den Zulaufsbehördenroche.com. Sollte Prasinezumab (oder ein ähnlicher Wirkstoff) in weiteren Studien doch noch einen klinisch bedeutsamen Benefit zeigen, wäre dies wegweisend: Erstmals könnte ein Medikament in das Krankheitsgeschehen von Parkinson eingreifen und nicht nur Symptome lindern. Dies würde ein neues Therapiezeitalter einläuten, da es bislang – trotz intensiver Forschung – keine zugelassene krankheitsmodifizierende Therapie für Parkinson gibtroche.com. Die bisherigen Studien zu Prasinezumab liefern zwar noch keinen Durchbruch, aber wertvolle Daten, um zukünftige Ansätze zu verbessern – ganz nach dem Motto: „Success consists of going from failure to failure without loss of enthusiasm.“ (Winston Churchill, zitiert nach Whone 2022)parkinsonsnewstoday.com.
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