In 30 Tagen den Parkinson verbessern!

   

Ein Selbstversuch von und mit Jürgen Zender

Dr. Mareike Schwed bietet in ihrer Neurowerkstatt unter anderem einen Kurs, mit der vielversprechenden Bezeichnung „in 30 Tagen den Parkinson gezielt verbessern“, an.

Ich muss zugeben, dass schon der Titel allein in mir einen inneren Widerspruch hervorrief, stehe ich doch Heilsversprechen ausgesprochen skeptisch gegenüber. Der Begriff Neurowerkstatt hingegen war verlockend genug, mich weiter mit dem Kurs-Angebot auseinanderzusetzen und ihn zu buchen.

Am Vorabend des Kursbeginns, sitze ich, der gemeinhin als beratungsresistent gilt, an meinem Schreibtisch, drucke das Kurshandbuch aus und hefte die losen Blätter in einem eigens dafür angelegten Ringordner fein säuberlich ab.

Zur Vorbereitung auf das, was da kommen mag, habe ich mir zwei etwa 15 minütige Videos angeschaut, in denen Mareike in ihrer unnachahmlichen, überaus sympathischen und mitreißenden Art, die Idee und das Konzept ihres Kurses erläutert.

Worum geht es genau?

Im Grunde genommen geht es um das auch von mir persönlich gebetsmühlenartig wiederholte Mantra der Bewegung als eine der wenigen wirksamen nicht medikamentösen Therapien.

So leicht wie er gesagt ist, so schwer ist es, diesen therapeutischen Ansatz in den Alltag zu integrieren.

Und es ist genau diese Herausforderung, der sich Mareike mit Ihrem Kurs stellt. Dabei gibt es 2 fundamentale Prinzipien: Ein durchdachtes, auf spezielle Problemfälle spezialisiertes Trainingskonzept zum einen, und zum anderen größtmögliche Freiheitsgrade in der persönlichen Intensitäts- und Zeitgestaltung. Mareike geht dabei von verschiedenen Motivations-Typen aus und es gehört zu den ersten Aufgaben – noch vor dem eigentlichen Kursbeginn – herauszufinden, zu welchem Motivationstyp man gehört, um dann auf dieser Basis seinen eigenen Trainingskalender zu entwickeln.

Mareike beschreibt sich selbst als 46,5 Jahre alte, promovierte Diplom-Sportwissenschaftlerin, Taunuskind, Bewegungsfreak und Auszeitspezialist.
Sie hat im Januar 2015 die neurowerkstatt gegründet, um Menschen mit neurologischer Erkrankung wie Parkinson, Multiple Sklerose und Polyneuropathie auf ihrem Weg zum selbst bestimmten Umgang mit Sport, Training und Bewegung als Gesundheitsressource zu begleiten.

Nun bin ich also Kursteilnehmer und sehe mich mit einem beeindruckenden Konvolut an täglichen Übungsvideos, zahlreichen, wöchentlichen Herausforderungen und einem ergänzenden Handbuch konfrontiert. Ein Klick auf eines der Vorschaubilder zeigt dir, was ich meine.

 

 

 

Vorausschicken möchte ich, das ich keinerlei Berührungsängste mit Online -beziehungsweise Videokursen habe, mache ich doch bereits seit Monaten täglich meine Dehnungsübungen vor dem Monitor. Gabi Fastner, meine „ Personal Trainerin “, ist dabei fast schon so etwas wie ein Familienmitglied geworden. (siehe hierzu auch die Rubrik „Fit durch die Woche “).

 

 

 

Aber selbst eingeschworene Online-Kurs-Ablehner werden schnell vergessen, dass es sich um eine Aufzeichnung handelt.  Denn Mareike hat die außergewöhnliche Begabung, so unverblümt und spontan vor der Kamera zu agieren, dass aus einem technisch gesehenen Monolog ein gefühlter Dialog mit ihr wird.

Die Bedeutung dieser Begabung, ist für das Erreichen des Ziels nicht hoch genug einzuschätzen, denn Mareike hat mir in den 30 Tagen einiges abgefordert.

Ich bekam jeden Tag eine neue Bewegungsaufgabe, die ich im Rahmen meiner körperlichen und zeitlichen Möglichkeiten ausführen sollte. Gerade was die zeitlichen Möglichkeiten anbelangt , ist das nicht immer einfach, Aber das Verschieben von Trainingseinheiten auf einen anderen Tag, stellte  überhaupt kein Problem dar. Wohingegen ich glaube, dass das einfach Weglassen von Übungen, dem Ergebnis sehr abträglich gewesen wäre.

Neben diesen Bewegungsaufgaben, bekommst du sogenannte Wochenaufgaben für Kraft- und Ausdauertraining und es gibt zahlreiche Übungen, die deine kognitiven Fähigkeiten zielführend auf eine harte Probe stellen.

Ich muss zugeben, dass ich allein auf der Grundlage der Aussage „in 30 Tagen den Parkinson gezielt verbessern“, sicherlich keinen ganzen Monat investiert hätte und kostenlos ist der Kursus natürlich auch nicht. Ich brauchte also im Vorfeld schon etwas mehr Substanz in der Zielsetzung.

Die Ziele

Konkret geht es darum, das Gleichgewicht zu verbessern,  das Gangbild positiv zu beeinflussen, Koordination sowohl in den kleinen als auch den großen Bewegungen zu fördern, an Kraft und Ausdauer zu gewinnen und – nicht zu vernachlässigen – die innere Haltung, die Lebensfreude zu steigern.

Um es gleich vorweg zu nehmen – alle Ziele wurden erreicht, aber es ist jetzt an mir, das Level zu halten. Es muss mir gelingen, die Übungen fest in meinen Alltag zu integrieren, sonst bleibt der Kurs eine angenehme Episode in meinem Leben, aber nachhaltig wird sich nichts verändern.

Jetzt, wo ich den Artikel schreibe, liegt das Kursende genau 4 Wochen hinter mir und ich bin immer noch voller Elan bei der Sache, im Gegenteil – Die Übungen haben sich so in meinem Alltag manifestiert, dass sie gar nicht mehr wegzudenken sind.

Um den Unterschied zwischen den hinlänglich bekannten Reha- und Gymnastikübungen und dem was ich in der neurowerkstatt gemacht habe, zu veranschaulichen, stelle ich euch 3 beliebig gewählte Tage kurz vor.

Tag 2, Motto: Doppelt ungewohnt


 Haben wir uns am ersten Tag mit ungewohnten Gangbewegungen (z.B. rückwärts auf den Zehenspitzen gehen) beschäftigt, so kommen heute gegenläufige Hand- und Armbewegungen dazu. Der Mehrwert von solchen Doppelaufgaben, ist,  dass du nicht mit dem Kopf läufst, mit anderen Worten nicht mehr über das Laufen nachdenken kannst und damit dein Gehirn forderst.

Tag 9, Doppelt gemoppelt

Heute geht es ums Gleichgewicht und um Balancieren in verschiedenen Varianten. Wir benutzen dazu die schon an Tag 1 und 2 eingeübten Gang -Hand- und Armbewegungen.

Als Balancebalken genügt schon eine Teppichkante Und es scheint mir am Anfang das, was ich nach 45 Minuten zu leisten in der Lage bin, fast unmöglich.

An Tag 11 wird diese Übung noch dadurch gesteigert, das Mareike Kommandos erteilt. Es gilt, während der Übungen auch gleichzeitig aufmerksam zu sein. Das ist schon eine arge Herausforderung, aber ich spüre in mir, das durch die Abwechslung mein dopaminerges System immer wieder angeregt wird.

Tag 17: kognitives Training

Passend zu den Videos gibt es auch immer eine schriftliche Dokumentation, die am Tag 17 so ausschaut:

Heute machen wir eine motorisch-kognitive Doppelaufgabe, die immer schwieriger wird – auf der Du also in den kommenden Tagen und Wochen aufbauen kannst. Es geht nicht darum, dass Du etwas wiedergibst, sondern dass Du wahrnimmst, dass Du gefordert wirst und bemerkst, wenn Du Fehler machst.

Du brauchst…

– Eine Linie/eine Markierung/ein Seil

WICHTIG: Aufgewärmt sein! Wenn es nicht mit Springen geht, dann mach‘ es im Gehen!

LINKS-RECHTS-BEIDE – RECHTS-LINKS-BEIDE

Grundübung

– Du bewegst dich folgendermaßen entlang deiner Linie: Du stehst auf beiden Füßen rechts neben deiner Linie/Markierung. Jetzt springst Du ab und landest mit dem linken Fuß links neben der Linie, dann mit dem rechten Fuß rechts neben der Linie und dann links neben der Linie mit beiden Füßen (siehe Abbildung unten, dort starten sie RECHTS-LINKS-BEIDE). Dann geht es weiter: Rechter Fuß rechts neben der Linie, linker Fuß links neben der Linie, beide Füße rechts neben der Linie. Und von Anfang :-)

Mittel

– Wie die Grundübung, zusätzlich kommt aber bei jedem Bodenkontakt eine Zahl oder ein Buchstabe dazu, Du zählst also laut mit! LINKS-A-RECHTS-B-BEIDE-C-RECHTS-D-LINKS-E-BEIDE-F usw. oder LINKS-1-RECHTS-2-BEIDE-3-RECHTS-4-LINKS-5-BEIDE-6 usw.

Profi

– Die gleiche Übung. Jetzt kombinierst Du aber Zahlen und Buchstaben: LINKS-A-RECHTS-1-BEIDE-B-RECHTS-2-LINKS-C-BEIDE-3 usw. oder andersherum.

Nächste Schwierigkeitsgrade

– Rückwärts zählen, das Alphabet rückwärts aufsagen

In den kommenden Tagen gibt es Partnerübungen, wir trainieren unsere Gangvariationen auf unebenen Untergründen und wir fordern unser Gleichgewicht in der freien Natur heraus.

So wie es jede Woche ein Zoom-Meeting gibt, an dem wir unsere Erfahrungen, unsere Schwierigkeiten und Erfolge nochmal Revue passieren lassen, sie gibt es auch am letzten Tag eine sehr umfängliche Reflektion des gesamten Kurses..

Es gäbe noch sehr viel zu erzählen und zu beschreiben, was diese Übungen bewirken, was sie mit einem anstellen,

Für mich persönlich war es wichtig, die Übungen nicht nur nachzumachen, sondern auch zu verstehen. Zu verstehen, warum sie so wirken, was sie für unser dopaminerges System bedeuten und vor allem selbst zu erleben, dass die These „Bewegung sei eine sinnvolle nicht medikamentöse Therapie“ wahr ist.

Sie gehört mit Nachdruck in das kollektive Bewusstsein der Betroffenen und deren Angehörigen und sie wird deshalb nachhaltig die Themen im Parkinson Journal bestimmen.

Wahr ist aber auch, das es fast ausschließlich an mir liegt, die Möglichkeiten, die in mir schlummern, zu nutzen, So gut und so erkenntnisreich der Kurs auch gewesen sein mag, er ist eben nach 30 Tagen zu Ende  und dann ist da keine Mareike mehr, die mich täglich motiviert,  das muss ich ab jetzt für mich selbst tun. Wenn ich es wider Erwarten nicht kann, bleibt mir immer noch die Möglichkeit das Angebot weiterer und intensiverer Betreuung über einen Zeitraum von 6 Monaten zu nutzen. Auf jeden Fall werde ich ihre monatlichen Motivations- und Impulsvorträge belegen. Aber zuerst probiere ich es selbst, immerhin habe ich noch mehrere Monate Zugriff auf die Videos und diese Zeit werde ich mit Sicherheit nutzen. 

Jürgen Zender, im September 2022

Ein paar nicht ganz ernst gemeinte Outtakes aus dem Kurs

Bleib auf dem Laufenden.


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