Rückenschmerzen im Alltag: Thema Rückfall

   

Wir freuen uns, dass wir mit Luise Walther eine weitere Autorin für das Parkinson Journal gewinnen konnten, die sich intensiv mit dem Themenkreis funktionelle Neurologie und neuronales Bewegungstraining auseinandersetzt. Ihr heutiger Beitrag setzt sich mit dem Tema Rückenschmerzen und Rückfall auseinander.

Rückenschmerzen: Rückfall

während ich den Beitrag schreibe, sitze ich in Barcelona auf der Dachterrasse. Um mich herum wuselt der spanische Verkehr. Es ist für mich unglaublich, dass ich heute hier sitze und diesen Beitrag schreibe. Denn vor zwei Wochen hatte ich mein vierjähriges Jubiläum: Ende August 2018 hatte ich meine zweite Bandscheiben-OP. Ich kann mich noch verdammt gut daran erinnern, wie intensiv diese Zeit war. Wie frustriert ich was, dass ich nach meiner ersten OP 2016 nun all die Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Ängste nochmal durchleben musste. Ich werde nie vergessen, wie ich auf dem Fußboden lag und meine Schwester anrufen musste, ob sie mich zum Arzt fahren kann, weil ich alleine nicht mehr aufstehen konnte, geschweige denn die vier Stockwerke nach unten laufen könnte. Ich werde die Aussage meiner damaligen Kollegen nicht vergessen “So einen Bandscheibenvorfall hab ich noch nie gesehen, zu wem gehören denn die Bilder?”, nichts ahnend, dass ich in der Kabine daneben lag und immer noch hoffte, um eine OP herumzukommen. 

Long story short: Ich kam nicht um eine zweite OP herum. Nachdem weder die Schmerzen über drei Wochen noch die sensorischen Ausfälle in den Griff zu bekommen waren, wurde auch die Motorik immer problematischer. Das eigene Bein nicht mehr bewegen zu können, keine Reflexe mehr ausgelöst zu bekommen und dieses dumpfe Gefühl, die Beine würden nicht zum Körper gehören, waren der Tiefpunkt. Es folgte eine schnelle Not-OP, als weitere Bereiche sensorisch und motorisch ausfielen (Reiterhosen-Syndrom inklusive).  

Ich will nicht drum herumreden: Das war die frustrierendste Zeit meines Lebens. Ich hatte nach der ersten OP vieles in meinem Leben umgestellt. Mehr Bewegung, mehr Ausgleich, weniger Stress, andere Arbeit, mehr Leidenschaft, weniger Frustration und Resignation. Und dennoch hatte ich einen Rückfall – Massenreprolaps, wie man sagt. Also das gesamte Bandscheibengewebe von zwei Etagen im Wirbelkanal verteilt – erklärte auch, warum Schmerzmittel und Spritzen nichts halfen. 

Und trotz alledem – es war wohl auch meine lehrreichste Zeit. 
Nicht nur, weil ich mich ab Tag eins nach der OP voll und ganz auf das Thema Neurozentriertes Training fokussiert habe. Sondern weil ich eine ganze Menge über mich, meinen Körper und meine Erwartungen lernen durfte und musste. 

Ein paar Einblicke und praktische Tipps, wie du mit Rückfällen umgehen kannst, gibt es in diesem Newsletter. Diesmal deutlich persönlicher als sonst.  

Und nun viel Neugierde beim Lesen und Ausprobieren!.

Herzliche Grüße,
Eure Luise Walther

Da Rückenschmerzen multimodale Ursachen haben, kann man nicht eine Sache im Leben ändern, und damit die Schmerzen in den Griff bekommen. 

  • Bewegung kann helfen. 
  • Ernährung kann helfen. 
  • Stressmanagement kann helfen. 
  • Verbesserter Schlaf kann helfen. 
  • Soziale Kontakte können helfen. 
  • Zufriedenstellende Arbeit kann helfen. 
  • Wirtschaftliche Stabilität kann helfen.

Es gibt jedoch meistens nicht die eine Schraube, die man drehen kann und schon ist der Schmerz weg. Im Körper ist alles miteinander verbunden. Das macht es oftmals herausfordernd, bietet jedoch gleichzeitig auch unterschiedliche Ansätze, die jede:r für sich probieren kann. 

In meinem Fall war es eine Kombination: Neue berufliche Herausforderungen und Leidenschaften, eigenes Business, mehr und vielseitigere Bewegung und Kraftaufbau, ausgeglichenere Ernährung, Fokus auf ausgewählte soziale Kontakte. 

Und dennoch hatte ich einen Rückfall und dementsprechend noch einiges zu tun und zu lernen. 
 

Was ist ein Rückfall?

Das erneute Auftreten einer scheinbar überstandenen Krankheit oder das Zurückfallen in einen vergangenen, schlechteren Zustand, ist ein Rückfall. Viele assoziieren das besonders mit Suchtverhalten, es kann aber auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen werden, zum Beispiel das Strafrecht oder im psychologischen der Rückfall in oftmals problematische Denk- und Verhaltensmuster.
In meinem Fall, und da bin ich sicherlich in guter Gesellschaft, geht es einher mit hoher Frustration.
 

Was ist Frustration?

Wenn wir frustriert sind, erleben wir einen unfreiwilligen Verzicht auf Erfüllung einer Erwartung oder eines Wunsches. Bei mir war es die Erwartung, dass nach der ersten OP und meinen entsprechenden Anpassungen in meinem Leben, mein Körper uneingeschränkt funktionieren wird. Das ist die Herausforderung an Gesundheit: Wir wissen sie erst zu schätzen, wenn sie weg ist und wir mit Krankheiten zu kämpfen haben.
Die entscheidende Frage ist, wie du mit deiner Frustration und den daraus resultierenden Widerständen umgehst.
 

Was ist Frustrationstoleranz?

Ein frustrierendes Erlebnis auszuhalten, ist eine erlernbare Fähigkeit. Bereits mit unserer Geburt besitzen wir die Fähigkeit. Individuell und entsprechend dem Entwicklungsstand wird diese Kompetenz dann weiterentwickelt. Gerade in Hinblick auf die eigene Gesundheit ist es herausfordernd, diese Toleranz gerade bei Rückfällen aufrechtzuerhalten. Es kann daher helfen, in einem geschützten Rahmen darüber zu sprechen, was einen beschäftigt, wo genau die Frustration liegt und was proaktiv getan werden kann.
Eine hohe Frustrationstoleranz ermöglicht dir, dass du Hindernisse auch langfristig angehen kannst und bereit bist, zu Veränderungen. Das bedeutet, nicht so schnell aufzugeben und sich nicht unterkriegen zu lassen.

Was ist Resilienz?

Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit. Viele beschreiben es als der Steh-auf-Modus eines Menschen. Es sagt also etwas darüber aus, wie gut eine Krise bewältigt werden, ein Rückfall toleriert und individuelle und soziale Ressourcen genutzt werden können. Denn idealerweise geht man aus einem Rückfall gestärkt hervor. So einfach oder abgedroschen es klingen mag, aber durch meine zweite Bandscheiben-OP habe ich mittlerweile ein erfüllteres und bewussteres Leben. Das heißt nicht, dass die OP das Beste ist, was mir passieren konnte. Sehr gerne hätte ich darauf verzichtet. Aber da ich, das nicht rückgängig machen kann, schaue ich nach vorne und gehe lösungsorientiert an die ganze Thematik. Und das kann man erlernen und trainieren.
 

Wie trainiere ich Resilienz?

Grundlage hierfür ist Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Nervensystems sowohl die Struktur als auch die Funktionen zu verändern. Das Gehirn baut sich also ständig um, mit dem Ziel, ideal auf Einflüsse und Anforderungen zu reagieren. Aufbauend auf dieser Fähigkeit der Neu- und Umstrukturierung kann man also bis zum Tod immer wieder durch Neues lernen und sein Gehirn und damit den Körper verändern.
Ganz entscheidend ist es also, neue Verhaltensmuster zu etablieren. Ich musste zum Beispiel wieder neu Laufen lernen. Und mich daran gewöhnen, dass ich nicht mehr lange in einer Position verharren kann. Ich habe viel mehr Bewegung und Abwechslung in meinen Alltag eingebaut. Nach der OP durfte ich akzeptieren, dass ich Schritt für Schritt wieder Muskeln aufbauen musste, um beispielsweise mein Fahrrad aus dem Keller tragen zu können.
 
Die folgenden Punkte kannst du bedenken, wenn du deine Resilienz trainieren willst, um mit Rückfällen besser umzugehen:

  1. Akzeptanz
    Frustration ist Ok. Wut auch. Alle Emotionen sind erlaubt. Akzeptiere deine Gefühle, die mit einem Rückfall einhergehen. Es ist ok, frustriert, wütend, traurig, genervt, enttäuscht oder was auch immer zu sein.
    Tipp: Atme tief durch und nimm deine Gefühle bewusst wahr. Versuche, das Gefühl zu beschreiben. Das hilft extrem, die eigene Gefühlswelt besser einzusortieren.  
  2. Realismus
    Setze die realistische und erreichbare Ziele. Frustration nimmt zu, wenn deine Erwartungen unrealistisch und einfach zu hoch sind.
    Tipp: Was würdest du an deinem schlechtesten Tag umsetzen können? Nimm das als Richtwert für deine Erwartungen.  
  3. Selbstwertschätzung
    du bist ein Mensch mit menschlichen Reaktionen und Grenzen. Du hast nur ein Leben und einen Körper. Schätze ihn also wert und mach das beste draus.
    Tipp: Frage dich jeden Morgen beim Zähneputzen: Wie sehr schätzt du dich? Was bist du dir selbst wert? Am besten belohnst du dich mit einem Lächeln für die Beantwortung der Frage.  
  4. Optimismus
    Statt in der Vergangenheit nach Schuld für den Rückfall zu suchen und Selbstzweifel zu säen, schaue optimistisch in die Zukunft.
    Tipp: Frage dich, was kannst du heute machen, damit es dir morgen besser geht? Und dann mach es! Egal ob mehr Bewegung, weniger Stress, mehr Schlaf, andere Ernährung, ein klärendes Gespräch, etwas Entspannung oder Ablenkung. Mach es!  
  5. Sprache
    Die Art und Weise, wie du über dich und deinen Rückfall sprichst, kann entweder katastrophisieren oder normalisieren. Die Sprache und Wortwahl kann Ohnmacht, Angst und Überforderung auslösen oder Mut machen und Lösungen aufzeigen.
    Tipp: Beschreibe deinen Rückfall, schreibe es am besten auf. Und schaue dann auf deine Sprache und mildere sie ab, verändere sie zu etwas Ermutigendem und Positiven!  
  6. Dranbleiben
    Wie bei jedem Training zahlt sich Regelmäßigkeit und Routine aus. Bleib also dran, auch wenn ein Rückschlag dich frustriert zurückwirft auf deinem Weg.
    Tipp: Setze dir Wochen oder Monatsziele, so bleibst du fokussiert und motiviert an dieser Aufgabe dran.

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Bleib auf dem Laufenden.


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