Neuro-Tango
Tanzen als nicht-medikamentöse Therapie

Ein Beitrag von Kristina van Eyck

   

Neurotango
Zu den aktivierenden Therapien gehören klassischerweise Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Aber es gibt auch einige zusätzliche Aktivitäten, die aktivieren und die klassischen Therapien unterstützen- wie zum Beispiel das Tanzen. Eigenaktivität und Bewegung im Alltag sind nicht zu unterschätzen.

Vom Spaßfaktor und den sozialen Gemeinsamkeiten abgesehen, werden beim Tanzen allgemein sehr viele grundlegende Funktionsübungen abgedeckt, die jedermann gut tun. Zusätzlich wirken sie auf einige Ausprägungen der Erkrankungen reduzierend: (Hackney & Earhart, 2009, 2010)

 Gleichmäßiges Gehen,
 Vorwärts- und rückwärts gehen
 Ausfall- und Schutzschritte
 Start- und Stoppsequenzen zur Überbrückung von Freezing
 Dual-Taskaufgaben
 Koordination verschiedener Körperteile
 Training des Körpergefühls und der Körperwahrnehmung
 Gedächtnistraining durch das Merken der Schritte und Abfolgen

Neben dem „versteckten“ Training sorgen verschiedene Faktoren beim Tanzen für eine erhöhte Sinnhaftigkeit. Es finden verschiedene Arten des Cueings statt: die Musik als akustischer Cue, der Kursleiter als visueller Cue, der Partner unterstützt durch taktiles Cueing. Zusätzlich spricht die Musik
verschiedene Hirnareale bis zu unserem Emotionszentrum an, wodurch unser Gehirn währenddessen auf verschiedenen Ebenen aktiv ist und Emotionen das motorische Lernen mit beeinflussen. Statt unseres „Grübelnetzwerks“ (Default-Mode-Netzwerk) wird das „Sinneswahrnehmungsnetzwerk“
(Direct-Experience-Netzwerk) während des Tanzens aktiv, wodurch mehr positive chemische Prozesse im Körper freigesetzt werden (Schlafhorst, 2020). Tanzen, besonders in einer Gruppe, wirkt biopsychosozial.

So viel zum Tanzen an sich. Warum aber nun „Neurotango“?

Das Neurotangokonzept von Simone Schlafhorst ist ein toolbasiertes System mit einfachsten Bewegungstechniken mit embodiment Effekt
(Auswirkungen auf psychische und biochemische Prozesse), die dem argentinischen Tango entlehnt sind, der wiederum gute Studien hinsichtlich der Symptomatik bei Parkinson hat. Das Konzept lässt sich auch ins Sitzen und Liegen adaptieren, wobei der Fokus dann weg vom Tanzen hin zu Musik- und
Rhythmusübungen verlagert wird und dadurch das Gehirn stimulieren. In dem Konzept werden drei Aufwärmübungen vorgeschaltet, die die Gehirnaktivität für motorische und kognitive Lernfähigkeit anregen: Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Konzentration, Koordination und Geschwindigkeit werden in Dual Task Aufgaben und durch Rhythmusschulung gefördert. Daraufhin finden sowohl Einzelübungen als auch Paartanzübungen statt. Das Konzept beinhaltet 15 Tools, die in heruntergebrochenen Übungen aus Figuren des Tangos entstanden sind. So lassen sich zum Beispiel Start- und Stoppschwierigkeiten im „2-Achsen System“ durch akustische und kognitive Strategien üben oder Ausfallschritte durch die
„Apperentida“. Einige Symptome lassen sich sehr gut mit bestimmten Tools verknüpfen und trainieren- ohne dass es ein deutliches Training ist. Es bietet Menschen mit verschiedenen Voraussetzungen und Fähigkeiten die Möglichkeit, mit dem Partner zu tanzen, Teil einer Gruppe zu werden und ungeachtet der Erkrankung mit Freude etwas für die Erkrankung zu tun – denn Tanzen macht Spaß, Tanzen aktiviert und Tanzen fördert oder fordert.

Hackney, M.E. & Earhart, G.M. (2009). Effects of Dance on Movement Control in Parkinson’s Disease:
A Comparison of Argentine Tango and American Ballroom. In: Journal of Rehabilitation Medicine. 41
(6) 475 – 481
Hackney, M.E. & Earhart, G.M. (2010). Effects of Dance on Gait and Balance in Parkinson Disease: A
Comparison of Partnered and Non-Partnered Dance Movement. In: Neurorehabiliatiation and Neural
Repair. 24 (4) 384-392
Schlafhorst-Biermann, S. (2023). Die perfekte Therapie
Weitere theoretische Hintergründe: Tango Therapie in der Wissenschaft

Kristina van Eyck, Juni 2023

Video zum Thema

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