Ein Mann, ein Fahrrad, ein Versprechen
Zuerst einmal zu mir. Ich bin fünfzig Jahre alt, Vater einer 14-jährigen Tochter und seit 15 Jahren glücklich verheiratet. Ich lebe in Altötting in Oberbayern, zwischen München und Passau. Genau in der Mitte, da wo die vielen Wallfahrer hingehen und der ein oder andere Papst sich in der Stadtchronik bereits verewigt hat. Wir hatten fast alles, um glücklich und zufrieden leben zu können. Ein ererbtes Häuschen mit Kachelofen, Sonnenterrasse und Wintergarten, ein kleines Auto, eine gute Arbeit – einfach eine kleine glückliche Familie.
Ich bin ausgebildeter Radio- und Fernsehtechniker. Nach verschiedenen Arbeitsplatzwechseln, wo ich mich weiterentwickeln konnte, bin ich durch den Handyboom Ende der 90er Jahre im Verkauf gelandet. Da mich diese Arbeit wirklich interessierte und ich ein gutes Händchen hatte, was den Kundenumgang und das technische Verständnis betraf, konnte ich schnell zum Abteilungsleiter aufsteigen. Ich richtete mein Leben ganz auf die Arbeit aus. Meine Frau hielt mir den Rücken frei. Egal was kam, ich konnte mich voll auf sie verlassen. Doch nach den ersten erfolgreichen Jahren – meine Tochter war gerade mal zwei Jahre alt – war es irgendwann nicht mehr zu ignorieren, dass irgendetwas bei mir nicht in Ordnung war. Ich hatte schon länger mit der Fitness zu kämpfen, ich ermüdete sehr schnell und hatte beim Bücken mit der Balance so meine Schwierigkeiten. Außerdem war ich leichter reizbar. Ich ging zum Arzt, um mich untersuchen zu lassen. Das Ergebnis war schnell gefunden: Stress …
Deshalb versuchte ich, die Verantwortung in meiner Arbeit besser zu verteilen. Was aber nur bedingt möglich war und so wechselte ich von einer Therapie zur nächsten, um irgendwie die Symptome besser in den Griff zu bekommen. Ich konnte es mir nicht leisten meine Arbeit zu verlieren, deshalb wurde ich von Facharzt zu Facharzt überwiesen. Herz, Blut, Hormone, etc. alles wurde durchgecheckt.
Dann, vor ungefähr 12 Jahren, kam die Diagnose: Parkinson. Erst einmal ein Schock für mich und meine Familie.
Meine Frau fing nach der Babypause wieder an halbtags zu arbeiten, damit wir irgendwie über die Runden kamen, da bei mir die Karriere am Ende zu sein schien. Ich konnte auch nicht mehr aufsteigen, um mehr zu verdienen. Wer stellt schon wirklich einen „Parki“ ein?
Doch es kamen immer neue Symptome hinzu, beginnend mit dem Zittern der Hände bei Anstrengung. Da die Oberlippe nicht mehr das tat, was ich wollte, bekam ich dadurch eine immer undeutlichere Aussprache. Durch die Parkinson-Erkrankung wurde meine Stimme immer rauer und das Bücken fiel mir nach und nach schwerer. Es kostete mich immer mehr Kraft, laut und deutlich zu sprechen. Irgendwann konnte ich meinen Dienst nicht mehr richtig ausfüllen und war dadurch gezwungen ins Lager zu wechseln.
Da der Betrieb gerade zwei weitere Filialen eröffnete und die Lageristen die Umlagerung von einem Geschäft zum anderen organisieren mussten, übernahm ich die Lkw-Fahrten. Bis mein Chef mich dann so schnell wie möglich loswerden wollte und mich zur Untersuchung zum Medizinischen Dienst schickte. Dieser stellte fest, dass ich für gewerbliche Lkw-Fahrten nicht mehr geeignet bin. Kurzum, ich wurde kurz darauf mit Zustimmung der Behörde entlassen.
Ich, unheilbar krank, Familienvater mit so gut wie keinem Finanzpolster und ohne Aussicht je wieder arbeiten zu können.
Super, das war genau das, was ich jetzt brauchte. Ich wurde also Frührentner und Hausmann.