Einfluss des Darm-Mikrobioms

auf Parkinson

 

Ein Beitrag von Fabienne Hammer

 

Einfluss des Darmmikrobioms auf Morbus Parkinson

Hintergrund und Relevanz

13.04.2025 – Morbus Parkinson ist eine komplexe, neurodegenerative Erkrankung, bei der Dopamin-produzierende Nervenzellen im Gehirn allmählich zugrunde gehen. Typische Symptome wie Muskelsteifheit (Rigor), Ruhetremor und Bewegungsverlangsamung (Bradykinese) sind weithin bekannt. Weniger im Bewusstsein ist jedoch, dass viele Betroffene bereits Jahre vor dem Auftreten motorischer Einschränkungen unter gastrointestinalen Problemen wie Verstopfung oder Blähungen leiden. Der mögliche Zusammenhang soll in diesem Artikel genauer betrachtet werden.

Bereits 2003 wies der Neuropathologe Heiko Braak [1] darauf hin, dass fehlgefaltetes α-Synuclein möglicherweise im Darm entsteht und sich entlang des Vagusnervs zum Gehirn ausbreitet. Diese sogenannte „Braak-Hypothese“ legt den Grundstein für den heutigen Blick auf die Darm-Hirn-Achse. Inzwischen deuten zahlreiche Studien darauf hin, dass Veränderungen im Darmmikrobiom (Dysbiose) weit über reine Verdauungsprobleme hinausgehen und unter anderem motorische, kognitive sowie psychische Symptome beeinflussen können [3,4].

Was sagt die Forschung?

Wiederkehrende Muster im Mikrobiom
Studien an Patientinnen und Patienten mit Parkinson zeigen regelmäßig ein Ungleichgewicht bestimmter Bakteriengruppen, wobei gesundheitsfördernde Bakterien wie Prevotella häufig abnehmen und entzündungsfördernde Gattungen wie Akkermansia zunehmen [3,4]. Eine Meta-Analyse, die Daten aus mehreren Untersuchungen zusammenfasste, bestätigt, dass diese Veränderungen bei Parkinson-Betroffenen auffallend konsistent auftreten [5].

Wechselwirkungen mit dem Nervensystem
In einem richtungsweisenden Mausmodell zur Parkinsonkrankheit konnten Forschende nachweisen, dass eine gestörte Darmflora die Motorik und die Entzündungsprozesse im Gehirn direkt beeinflusst [2]. Über Stoffwechselprodukte (wie kurzkettige Fettsäuren) sowie immunologische Signalwege kann die Darmflora offenbar Prozesse in Gang setzen, die das Gehirn negativ beeinflussen. Dies untermauert die Idee, dass die Darm-Hirn-Achse eine zentrale Rolle für die Entstehung und Ausprägung der Parkinsonsymptome spielt.

Kognitive Einschränkungen
Nicht nur die motorischen Symptome, sondern auch kognitive Funktionen scheinen von Veränderungen im Darmmikrobiom betroffen zu sein. Eine systematische Übersichtsarbeit berichtete über charakteristische Bakterienmuster, die mit einer Zunahme kognitiver Defizite bei Parkinson einhergehen [6]. Da kognitive Störungen oft zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führen, werden mögliche Maßnahmen zur Regulierung der Darmflora zunehmend erforscht.

Aktuelle Therapiestudien

  • Probiotika und Ernährung: Die Gabe spezieller Probiotika – darunter Stämme wie Lacticaseibacillus paracasei Shirota – zeigte in ersten kontrollierten Studien positive Effekte auf die Darmgesundheit und teils auch auf die Parkinson-Symptomatik [8]. Gleichzeitig weisen Beobachtungen auf den Wert einer ballaststoffreichen Kost hin, um die Vielfalt im Darm zu erhalten.
  • Fäkaltransplantation: Zwar steckt dieser Ansatz noch in den Kinderschuhen, doch erste Fallberichte liefern Hinweise, dass die gezielte Übertragung einer gesunden Mikrobiota (z. B. durch Fäkaltransplantation) gastrointestinale und motorische Beschwerden lindern könnte [7].

Tipps für Betroffene

Ob Dysbiose eher Auslöser oder Folge der Parkinsonkrankheit ist, wird aktuell intensiv erforscht. Dennoch gibt es bereits jetzt einige Maßnahmen, die wissenschaftlich fundiert sind und Betroffenen helfen können, die eigene Darmgesundheit zu fördern.

  1. Ausreichende Ballaststoffe
    Eine Ernährung, die reich an Gemüse, Obst und Vollkornprodukten ist, unterstützt eine hohe Artenvielfalt im Darm. Diese Vielfalt begünstigt die Bildung kurzkettiger Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken und die Darmbarriere stabilisieren. Studien konnten zeigen, dass Menschen, die vermehrt Ballaststoffe aufnehmen, seltener unter schwerwiegenden Entzündungsprozessen leiden [12].
  2. Gezielte Probiotika
    Insbesondere Stämme aus Lactobacillus und Bifidobacterium gelten als potenziell hilfreich, um das Gleichgewicht im Darm zu fördern. Eine randomisierte kontrollierte Untersuchung mit Lacticaseibacillus paracasei Shirota berichtete von Verbesserungen der Verdauungsbeschwerden und sogar leichten Fortschritten bei motorischen Parametern [8].
  3. Mediterrane Ernährung
    Untersuchungen legen nahe, dass eine mediterrane Ernährungsweise – gekennzeichnet durch viel Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst, Fisch und Olivenöl – das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen senken und gleichzeitig die Mikrobiota stabilisieren kann. Indem diese Kost reich an Antioxidantien und Ballaststoffen ist, trägt sie dazu bei, Entzündungsprozesse zu reduzieren [11].
  4. Stressmanagement
    Anhaltender Stress verändert die Zusammensetzung der Darmmikrobiota negativ und kann somit Krankheitsprozesse begünstigen. Techniken wie Yoga, Achtsamkeitsübungen und Atemtechniken wirken sich daher auch positiv auf die Darm-Hirn-Achse aus [9].
  5. Austausch mit Fachleuten
    Da die Parkinsontherapie aus vielen Bausteinen besteht (unter anderem medikamentöse Behandlung mit L-Dopa), ist es sinnvoll, mit behandelnden Neurologinnen und Neurologen sowie Ernährungsfachkräften eine individuell angepasste Strategie zu entwickeln. Nur so lassen sich potenzielle Wechselwirkungen (beispielsweise zwischen Probiotika, Nahrung und Medikamenten) berücksichtigen und die Therapie bestmöglich auf die Bedürfnisse des Einzelnen abstimmen.

Fazit und Ausblick

Die Forschung zur Darm-Hirn-Achse liefert zunehmend Hinweise, dass das Darmmikrobiom eine Schlüsselrolle bei Morbus Parkinson spielt. Es scheint, dass bestimmte Bakterienzusammensetzungen nicht nur den Krankheitsverlauf mitbestimmen, sondern möglicherweise auch therapeutische Optionen eröffnen. Zwar sind noch umfangreichere Langzeitstudien nötig, um diese Zusammenhänge vollends zu verstehen, doch zeigen erste Ergebnisse, dass Ernährung, Probiotika und eine bewusste Stressreduktion bereits heute einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität von Parkinson-Betroffenen leisten können. Eine gezielte Stärkung und Modulation des Darmmikrobioms könnten sich in Zukunft als unverzichtbarer Bestandteil einer ganzheitlichen Parkinsontherapie etablieren [10].

Quellen

[1] Braak H, Del Tredici K, Rüb U, de Vos RAI, Jansen Steur ENH, Braak E. Staging of brain pathology related to sporadic Parkinson’s disease. Neurobiol Aging. 2003;24(2):197–211.
[2] Sampson TR, Debelius JW, Thron T, et al. Gut microbiota regulate motor deficits and neuroinflammation in a model of Parkinson’s disease. Cell. 2016;167(6):1469–1480.e12.
[3] Scheperjans F, Aho V, Pereira PA, et al. Gut microbiota are related to Parkinson’s disease and clinical phenotype. Mov Disord. 2015;30(3):350–358.
[4] Keshavarzian A, Green SJ, Engen PA, et al. Colonic bacterial composition in Parkinson’s disease. Mov Disord. 2015;30(10):1351–1360.
[5] Toh TS, Chong CW, Lim SY, et al. Gut microbiome in Parkinson’s disease: new insights from meta-analysis. Parkinsonism Relat Disord. 2022;94:1–9.
[6] Grant H, Anderton R, Gasson N, Lawrence BJ. The gut microbiome and cognition in Parkinson’s disease: a systematic review. Nutr Neurosci. 2023;26(10):932–941.
[7] Hirayama M, Ohno K. Parkinson’s disease and gut microbiota. Ann Nutr Metab. 2021;77(Suppl 2):28–35.
[8] Yang X, He X, Xu S, et al. Effect of Lacticaseibacillus paracasei strain Shirota supplementation on clinical responses and gut microbiome in Parkinson’s disease. Food Funct. 2023;14(15):6828–6839.
[9] Barrio C, Arias-Sánchez S, Martín-Monzón I. The gut microbiota–brain axis, psychobiotics and its influence on brain and behaviour: A systematic review. Psychoneuroendocrinology. 2022;137:105640.
[10] Cirstea MS, Yu AC, Golz E, et al. Microbiome in neurological disorders: Brain–Gut axis and host microbiome interactions in neuroinflammation. Neurotherapeutics. 2020;17(3):737–754.
[11] Cao L, Tan H, Liao K, et al. Mediterranean diet and neural health. Nutrients. 2021;13(1):107.
[12] Makki K, Deehan EC, Walter J, Bäckhed F. The impact of dietary fiber on gut microbiota in host health and disease. Cell Host Microbe. 2018;23(6):705–715.

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